Konferenz in Wien:Zeitplan für den Frieden in Syrien

John Kerry uns Sergej Lawrow

US-Außenminister John Kerry und Russlands Außenminister Sergej Lawrow bei den Gesprächen in Wien.

(Foto: dpa)
  • Bei den Wiener Syrien-Gesprächen einigen sich die Teilnehmer auf einen Fahrplan für einen Friedensprozess im syrischen Bürgerkrieg.
  • In sechs Montaten sollen dem Plan zufolge Vorraussetzungen für eine Übergangsregierung geschaffen werden.
  • Ein 18 Monate langer Übergangsprozess soll schließlich in Wahlen münden.
  • Lokale Waffenruhen sollen einen landesweiten Waffenstillstand vorbereiten.

Von Stefan Braun, Wien/Berlin

Die Präsidenten der USA und Russlands haben sich am Sonntagabend bei einem bilateralen Treffen für die friedliche Beilegung des Kriegs in Syrien unter dem Dach der Vereinten Nationen ausgesprochen. Barack Obama und Wladimir Putin, die am Rande des G-20-Gipfels im türkischen Antalya eine halbe Stunde miteinander sprachen, machten damit den Weg frei für Friedensverhandlungen. "Obama und Putin stimmten darin überein, dass Verhandlungen mit einem Mandat der UN zwischen der syrischen Opposition und den syrischen Machthabern stattfinden sowie ein Waffenstillstand beschlossen werden sollten", sagte ein US-Diplomat. Die Außenminister der zweiten Runde der Wiener Syrien-Gespräche hatten die Einigung der Präsidenten vorbereitet. Sie verständigten sich am Samstag auf den ersten Teil eines Fahrplans hin zu einem Ende des Konflikts. Unter der Leitung von US-Außenminister John Kerry und mit klarer Unterstützung von dessen russischem Kollegen Sergej Lawrow stimmten die anwesenden arabischen Staaten, die Europäer, die Türkei und Iran dem Ziel zu, möglichst in den kommenden sechs Monaten die Voraussetzungen zur Bildung einer Übergangsregierung zu schaffen. Diese Regierung soll einen Übergangsprozess organisieren, der nach 18 Monaten in Wahlen münden könnte. Außerdem wiederholten die Vertreter aller in Wien beteiligten Staaten ihre Forderung und ihr Versprechen, dass der Einsatz von Fassbomben ebenso gestoppt werden soll wie Mörser- und Raketenangriffe auf Wohngebiete. Dahinter steht auch die Zusage, alsbald Voraussetzungen für einen landesweiten Waffenstillstand zu schaffen.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagte nach dem Treffen, den angestrebten Waffenstillstand werde es nur geben, wenn der politische Übergangsprozess in Gang komme. Und dieser notwendige Dialog zwischen den Syrern brauche umgekehrt ein Ende der Kampfhandlungen. "Wir müssen und wollen diesen seit Jahren unüberwindlichen Teufelskreis durchbrechen, indem wir die Gespräche zwischen den Syrern forcieren", betonte er. Offensichtlich wurde in Wien, dass die verheerenden Terroranschläge in Paris alle anwesenden Staaten stärker als bisher in dem Ziel einen, den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) entschiedener und geschlossener als bisher anzugehen.

Die Konferenz, an der die fünf UN-Vetomächte, arabische Staaten, die Türkei, Iran, Deutschland, Italien, die EU und Vereinten Nationen teilnahmen, hatte mit einer Schweigeminute für die Opfer der jüngsten Terroranschläge begonnen, bei denen in Paris, aber auch in Ankara, Beirut und beim Absturz einer russischen Verkehrsmaschine über der Sinai-Halbinsel zahlreiche Menschen getötet worden sind.

Wie am Rande des Treffens zu erfahren war, zeigten sich wie schon beim ersten Treffen vor vierzehn Tagen deutliche Meinungsunterschiede in der Frage, welche syrischen Oppositionsgruppen als Terroristen und welche als legitime Vertreter der Bevölkerung akzeptiert werden sollten. Insbesondere die Golfstaaten wehrten sich heftig gegen eine entsprechende Einstufung der von ihnen unterstützten Gruppen. Deshalb gab es in dieser Frage nach wie vor keine Entscheidung. Während vor allem Russland jede islamistisch geprägte Gruppe als Terroristen bekämpfen will, lehnen die Golfstaaten das bei einigen Gruppen ab. Allerdings verhinderte es US-Außenminister Kerry, dass diese Frage das Treffen und die nächsten Schritte Richtung Entspannung gefährden konnten. Aber die demonstrative Kooperation zwischen Kerry und Lawrow sorgte in Wien dafür, "dass die großen Linien nicht durch kleinere Fragen gefährdet wurden", berichtete ein Verhandlungsteilnehmer. Die Zusammenarbeit von Kerry und Lawrow beendete fürs Erste die Sorge, das Verhältnis zwischen Washington und Moskau könnte sich nach anfänglichen Gemeinsamkeiten doch wieder verhärten. Anlass dafür waren anfängliche Zwistigkeiten gewesen. So war die russische Seite am Donnerstag und Freitag den Vorgesprächen in kleineren Arbeitsgruppen ferngeblieben, weil sich Moskau nicht angemessen beteiligt gefühlt hatte. Berlin hatte hinter den Kulissen dafür geworben, am Samstag solcherlei Streit zu vermeiden.

"Es ist hier in Wien etwas in Bewegung geraten"

Der nach Jahren des Kriegs als ziemlich ambitioniert geltende Zeitplan hin zu einer Übergangsregierung geht auch auf den UN-Sondergesandten Staffan de Mistura zurück. Wie es bei dem Treffen hieß, zeigte sich Mistura sehr optimistisch, mit Unterstützung Saudi-Arabiens tatsächlich bald die Grundlagen für erste Gespräche zwischen Regime und Opposition hinzubekommen. Offenbar haben sich hinter den Kulissen auch Moskau und Teheran offen gezeigt, seine Pläne zu unterstützen. Das gilt als unverzichtbare Voraussetzung dafür, dass sich auch das Regime von Baschar al-Assad dem Beginn von Gesprächen nicht mehr verweigern könnte. Für eine Unterstützung Misturas tritt seit Langem die deutsche Regierung ein. In der Vergangenheit hatte das wenig gebracht; seit der engeren Kooperation zwischen Kerry und Lawrow hat sich das offenbar geändert.

Zum Zeitplan gehört, dass sich die Außenminister in rund vier Wochen wieder treffen wollen. In der Zwischenzeit soll es vor allem darum gehen, in mehr und mehr Regionen Syriens den Zugang für humanitäre Hilfsorganisationen zu ermöglichen, über lokale Waffenruhen einem landesweiten Waffenstillstand näher zu kommen und wenn möglich in verschiedenen Arbeitsgruppen die Frage zu klären, welche Oppositionsgruppen als solche anerkannt und welche als islamistische Terrororganisationen bekämpft werden sollen. Berlin dringt darauf, den nach vier Jahren Krieg begonnenen Prozess zu stabilisieren. Steinmeier sagte: "Es ist hier in Wien etwas in Bewegung geraten, und unsere Aufgabe ist, es in Bewegung zu halten und nicht wieder in Stillstand und Sprachlosigkeit zurückzufallen."

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