Kompetenz des Bundespräsidenten:"Gnadenherr" für Terroristen

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Der Präsident entscheidet nur über Gnadengesuche von verurteilten Agenten und Terroristen. In den meisten Fällen sind Begnadigungen jedoch Ländersache.

Heribert Prantl

Johann Georg Schätzler, der das maßgebliche "Handbuch des Gnadenrechts" herausgegeben hat, schreibt über die Gnadenkompetenz: Sie sei "die Macht, von höherer Warte als irgendein Gericht und auch nach anderen als rechtlichen Maßstäben zu urteilen".

Diese Macht, von höherer Warte zu entscheiden, hat nur in einigen wenigen Fällen der Bundespräsident; meist ist das Gnadenrecht Ländersache.

Als "Gnadenherr", wie es so schön heißt, betätigt sich der Bundespräsident nur für Agenten und Terroristen, also nur in den Strafverfahren, in denen die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe die Ermittlungen geführt und ein Bundesgericht verurteilt hat; dazu gehört die Bildung von kriminellen und terroristischen Vereinigungen sowie die Morde und sonstige Delikte, die im Zusammenhang damit verübt wurden.

Ansonsten (in all den Fällen, in denen die normalen Staatsanwaltschaften ermittelt und Landesgerichte verurteilt haben) müssen die Länder über die Begnadigung entscheiden. Sie sind also zuständig für die Begnadigung der "normalen" Mörder und Diebe.

Fortsetzung der Strafjustiz mit anderen Mitteln

In Berlin, Bremen und Hamburg ist der Senat, im Saarland die Landesregierung, in den übrigen Bundesländern der Ministerpräsident zuständig. Diese Stellen haben ihr Begnadigungsrecht regelmäßig delegiert und behalten es sich nur für außergewöhnliche Fälle selbst vor.

Die Begnadigungsverfahren der Länder sind, im Unterschied zu der meist spektakulären Begnadigung von ehemaligen Terroristen oder Agenten durch den Bundespräsidenten, regelmäßig anonym: Etwa hunderttausend Gnadengesuche werden jährlich von den Gnadenbehörden der Länder entschieden - positiv oder negativ.

Mit einer Art "Wunder", mit einem "Urteil von höherer Warte" (wie die großen Gnadenentscheidungen in der rechtswissenschaftlichen Literatur beschrieben werden), haben diese Massenentscheidungen nichts zu tun. Es handelt sich meist um nichts anderes als um die Fortsetzung der Strafjustiz mit anderen Mitteln, um eine letzte Feinkorrektur in einem sehr kompliziert gewordenen System des Strafens.

Gnadenentscheidungen stehen außerhalb des Rechts - sind also gerichtlich nicht überprüfbar. Es ist dies eine Ausnahme von der im Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes formulierten Rechtsschutzgarantie: "Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen".

Gnade hat nichts mit Recht zu tun

Er steht ihm nämlich nicht offen, wenn sein Gnadenantrag abgelehnt worden ist. Die gängige Begründung dafür: Gnade hat mit Recht nichts zu tun. Das mag eine plausible Begründung bei großen, spektakulären Gnadenentscheidungen sein; bei den kleinen Gnadengesuchen des Alltags, mit denen oft rechtskräftige Fehler der Strafjustiz korrigiert werden sollen, gilt die Durchbrechung der Rechtsschutzgarantie als bedenklich.

Gnadenerweise können auch anders aussehen, als sie vom Ex-Terroristen Christian Klar begehrt werden: Möglich sind nämlich nicht nur eine vorzeitige Haftentlassung oder der Erlass einer restlichen Strafe; auch ein vollkommener Straferlass ist denkbar, ebenso die Umwandlung der Strafe in eine andere, oder der Aufschub oder die Unterbrechung einer Strafe.

Begnadigung ist der Gnadenerweis für einen Einzelfall. Sie findet ihr Pendant in der Amnestie; diese gilt für eine unbestimmte Zahl von Fällen und kann nur durch Gesetz gewährt werden.

© SZ vom 07.05.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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