Sozialdemokraten:Bis zur Wahl gilt in der SPD: Augen zu und durch

Wahlkampfabschluss der SPD in Warnemünde

Wahlkampfabschluss der SPD in Warnemünde im vergangenen August: Sigmar Gabriel neben Manuela Schwesig und Erwin Sellering

(Foto: dpa)

Die Erkrankung von Ministerpräsident Sellering zwingt die Sozialdemokraten, wichtige Posten neu zu besetzen - kurz vor der Bundestagswahl. Mittelfristig könnte das der Partei aber nutzen.

Kommentar von Christoph Hickmann

Eigentlich kann einer Partei im Wahlkampf kaum Schlimmeres passieren, als in der entscheidenden Phase zentrale Personen auswechseln zu müssen. Die aktuelle Personalrochade der SPD dürfte den Sozialdemokraten allerdings nicht schaden. Eher im Gegenteil.

Vorausgeschickt sei, dass diese Rochade nicht etwa einer Laune des Kanzlerkandidaten entspringt, sondern einen tragischen persönlichen Hintergrund hat: Erwin Sellering, beliebter Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, ist an Krebs erkrankt und zieht sich aus der Politik zurück. Nachfolgen soll ihm Manuela Schwesig, bislang Familienministerin im Bund, der in diesem Amt Katarina Barley folgen soll. Kommissarischer Generalsekretär wird Hubertus Heil, der sich damit, wenn auch mit ein paar Nachfolgern dazwischen, gewissermaßen selbst beerbt. Doch was heißt all das nun für die SPD?

Zunächst zu Barley: Sie wird als Generalsekretärin in die Parteihistorie eingehen, die zur Seite treten musste, kurz bevor es ernst wurde. Denn so traurig der konkrete Anlass für ihren Wechsel sein mag - wäre sie eine unumstrittene Parteimanagerin mit umfassender Wahlkampferfahrung gewesen, hätte der Parteichef und Kanzlerkandidat Martin Schulz für die knapp vier Monate bis zur Wahl schon noch eine andere Ministerin gefunden. Tatsächlich aber war Schulz selbst nicht mehr restlos überzeugt davon, dass ihm Barley in den kommenden, mutmaßlich harten Monaten eine große Hilfe gewesen wäre. Im Willy-Brandt-Haus verbreitete sie eine angenehme Atmosphäre, doch weder ihre öffentlichen Auftritte noch ihre Ideen für den Wahlkampf waren von der Qualität, wie sie die SPD in ihrer aktuellen Lage bräuchte.

Sellerings tragisches Schicksal erzwingt eine Personalrochade

Zumal in Schwesig eines der prominentesten SPD-Gesichter in die Landespolitik wechselt. Das mag kurzfristig eine Schwächung im Wahlkampf sein - schließlich kann sie als frisch gewählte Ministerpräsidentin schlecht durch die Republik reisen und familienpolitische Wohltaten für die nächste Legislaturperiode in Aussicht stellen. Mittelfristig aber dürfte der Wechsel sowohl ihr selbst als auch der SPD nützen.

Das Problem der Sozialdemokraten bestand ja zuletzt nicht darin, dass sich etwa um die Kanzlerkandidatur viele erfolgreiche Ministerpräsidenten gerissen hätten. Stattdessen beschränkten sich die SPD-Regierungschefs auf ihren Sprengel. Es ist gut für die SPD, dass Schwesig Ministerpräsidentin wird, eine Frau, die bundespolitisch noch etwas will. Und falls sie reüssieren sollte, könnte sie wichtige Pluspunkte im Vergleich mit Arbeitsministerin Andrea Nahles sammeln, ihrer potenziellen Konkurrentin der nächsten Jahre.

Und Hubertus Heil? Er dürfte kaum neue Herzen für die SPD entflammen. Natürlich ließen sich angesichts seiner Rückkehr auf einen Posten, den er einst entnervt abgeben musste, auch zahlreiche Kalauer auf seine und die Kosten der SPD reißen. Aber mehr Wahlkampferfahrung als Barley hat er allemal. Attacke kann er auch. Und bis zur Wahl lautet das Motto für die SPD sowieso: Augen zu und durch.

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