Union und SPD:Schluss mit den Beleidigungen

Nur wenn Union und SPD aufhören, sich gegenseitig vor den Kopf zu stoßen, können die Koalitionsgespräche gelingen. Ansonsten scheitert das Bündnis, bevor es zustande kommt.

Kommentar von Heribert Prantl

Bündnisverhandlungen sind eigentlich kein Platz für Zwerge, Deppen oder Blödmänner. CSU und SPD indes lassen die Beleidigungen hin- und herfliegen, als seien sie noch in der Endphase des letzten Wahlkampfes oder schon in der Anfangsphase des nächsten. Man kann es nicht oft genug sagen: Eine Koalition ist ein Bündnis auf Gedeih, nicht auf Verderb. Die Beteiligten können die Sache schon im Ansatz verderben.

Ohne ein einigermaßen gedeihliches Umgehen miteinander im Koalitions-Anbahnungsprozess wird es keine Koalition geben. Eine Koalition ist ein Bündnis, das nicht schon zerredet und zerdeppert werden sollte, bevor man darüber richtig verhandelt hat. Zur notwendigen Grund-Fairness im Umgang gehört auch eine gewisse öffentliche Zurückhaltung im Verlobungsstadium. In diesem Stadium befindet sich die große Koalition derzeit. Es ist dies das Stadium des Suchens und Findens.

Andrea Nahles hat sich in ihrer rauschhaft-leidenschaftlichen Rede beim SPD-Parteitag am Sonntag dieser Zurückhaltung nicht befleißigt. Das war verständlich, aber nicht unbedingt klug. Sie hat auf Beschimpfungen von CSU-Landesgruppenchef Dobrindt reagiert, es war eine Art Notwehr, die Dobrindt provoziert hat. Notwehr und Notwehrprovokation sind aber nicht das richtige Unterhaltsprogramm zur Begleitung von Sondierungs- und Bündnisgesprächen. Das ist Katzenmusik.

Es ist ungut, wenn noch am Abend des SPD-Parteitages die CSU erklärt, dass man den Forderungen des SPD-Parteitages nicht nachgeben werde, ja dass man über diese Forderungen gar nicht verhandeln wolle. Das ist nicht Bündnispolitik, das ist Bündnisverhinderungspolitik. Entweder man will eine Koalition, dann muss man verhandeln. Oder man will sie nicht, dann kann man weiter so daherreden. Man kann sich nicht, wie die CSU das tut, eine große Koalition wünschen - aber gleichzeitig den Koalitionspartner öffentlich piesacken und düpieren.

Ganz grundlos geschieht das Abwehren neuer SPD-Forderungen durch die Union freilich nicht. Die Sondierungs- und die Koalitionsverhandlungen waren und sind diesmal, anders als bei früheren Koalitionen, nicht eindeutig voneinander getrennt. Eigentlich sind ja Sondierungsverhandlungen lediglich Vorverhandlungen, da wird üblicherweise nur das Spielfeld abgesteckt, auf dem dann bei den Hauptverhandlungen, also die formellen Koalitionsgespräche stattfinden.

Diesmal war und ist das anders. Diesmal hatten die Sondierungsverhandlungen partiell - nämlich in den im Abschlusspapier behandelten Teilen - den Charakter von Koalitionsverhandlungen. Das Sondierungspapier wird deshalb von CDU und CSU als ein schon fertig verhandelter Teil des Koalitionsvertrags betrachtet. Die SPD dagegen zieht sich auf die Formulierung "Sondierungsergebnis" zurück - und verweist darauf, dass die formellen Koalitionsverhandlungen erst jetzt beginnen; es gehe also nicht um ein Nachverhandeln, sondern um ein Hauptverhandeln.

Diese Kontroverse braucht Mediation. Das ist eigentlich immer die Kunst der Kanzlerin gewesen. Wenn sie die Koalition zuwege bringen will, muss sie diese Kunst aktivieren.

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