Kampf gegen Schuldenkrise in Europa:Italien beugt sich dem Druck der EU

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Mit unvorstellbaren 1900 Milliarden Euro ist Italien verschuldet. Doch erst vor wenigen Tagen milderte Rom das angedachte Sparpaket ab. Nach heftigen Protesten in der EU knickt die Regierung jetzt ein und verschärft die Sparbemühungen: Die Mehrwertsteuer steigt und auch um die Einführung einer Reichensteuer kommt Silvio Berlusconi nicht mehr herum.

Andrea Bachstein und Wolfgang Koydl

Die italienische Regierung beugt sich dem Druck der EU-Partner und verschärft ihr Sparpaket nun doch. Um die Rekordverschuldung von 1900 Milliarden Euro einzudämmen, soll in Italien die Mehrwertsteuer steigen und eine "Reichensteuer" eingeführt werden. Diese erneute Änderung des Sparpakets beschloss am Dienstag die Regierung von Ministerpräsident Silvio Berlusconi.

Italiens Finanzminister Tremonti im Gespräch mit Premierminister Berlusconi (links): Die italienische Regierung hat nun doch das Sparpaket verschärft. (Foto: REUTERS)

Das Kabinett in Rom war zuvor von der Europäischen Zentralbank (EZB), den EU-Partnern und den Finanzmärkten dazu gedrängt worden, endlich die konkreten Maßnahmen zu präsentieren, die in den kommenden zwei Jahren den Haushalt um 45 Milliarden Euro entlasten sollen. Erst vor wenigen Tagen hatte Rom das Sparpaket abgemildert, was zu heftigen Protesten in der EU geführt hatte. Nun soll die Mehrwertsteuer um einen Prozentpunkt auf 21 Prozent steigen, zudem ist jetzt doch eine "Reichensteuer" von drei Prozent auf Einkommen von mehr als 500.000 Euro vorgesehen. Eine ähnliche Sonderabgabe, die jedoch bereits ab 90.000 Euro Jahreseinkommen greifen sollte, war bereits im ersten Entwurf des Sparprogramms vorgesehen, wurde aber auf Wunsch Berlusconis zunächst wieder gestrichen.

Für eine stärkere Beteiligung der Reichen demonstrierten am Dienstag Zehntausende Italiener in mehr als 100 Städten. Zugleich legte ein Generalstreik das Land lahm. Die Sondersteuer für Einkünfte über 500.000 Euro hat jedoch nach derzeitigem Stand wohl eher symbolischen Wert. Laut Finanzminister Giulio Tremonti haben nur 3641 von 41,5 Millionen italienischen Steuerzahlern mehr als eine halbe Million Euro Jahreseinkommen deklariert.

Als Teil des Sparprogramms soll deshalb auch der Kampf gegen Steuerhinterziehung verschärft werden. Zu den jüngsten Änderungen im Sanierungskonzept gehört auch, dass das Rentenalter bei Frauen von 2014 an steigt. Am Donnerstag soll das Kabinett zudem eine Schuldenbremse verabschieden, um dem Ziel eines ausgeglichenen Haushalts näherzukommen. Entgegen ihrer ursprünglichen Absicht will die Regierung die Abstimmungen über die Haushaltsgesetze im Parlament außerdem mit der Vertrauensfrage verbinden. Offenbar ist sich die Koalition ansonsten ihrer Mehrheit nicht sicher. Vertrauensabstimmungen beschleunigen in der Regel auch die Entscheidungen des italienischen Parlaments.

Die anhaltende Schuldenkrise in der Euro-Zone zwang am Dienstag die Schweizer Nationalbank (SNB) zu einem dramatischen Eingreifen auf den Devisenmärkten. Nachdem die Krise zu einer massiven Aufwertung des Franken geführt hat, kündigten die eidgenössischen Währungshüter in einer ungewöhnlich harten Erklärung die Einführung einer Kursuntergrenze von 1,20 Franken pro Euro an. Diesen Wechselkurs würde sie "mit aller Konsequenz durchsetzen" und dafür notfalls "unbeschränkt" Devisen kaufen, erklärte die SNB. Unmittelbar nach der Bekanntgabe stieg der Kurs des Euro von 1,12 Franken auf mehr als 1,20 Franken. Der seit Monaten praktisch ungehemmt steigende Kurs des Franken hatte sich zunehmend zu einer Belastung für die Schweizer Wirtschaft entwickelt und sogar die Gefahr einer Rezession heraufbeschworen. Die SNB sprach unverblümt von einer "akuten Bedrohung" der Volkswirtschaft.

Der Schritt der Schweizer Nationalbank führte nur zu einer kurzen Erholung des Dax-Kurses. Im Tagesverlauf sackte der deutsche Leitindex auf unter 5200 Punkte, den tiefsten Stand seit zwei Jahren.

© SZ vom 07.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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