Kampf gegen IS:Einigkeit am Golf

  • Die Golfstaaten wollen sich vor allem auf den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat konzentrieren.
  • Neben dem gemeinsamen Militärkommando soll es auch eine Polizei-Kooperation geben, die in Abu Dhabi angesiedelt wird, und eine Sicherheitsakademie, an der Offiziere ausgebildet werden sollen.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Kampf gegen IS: Gemeinsame Militärübungen haben bereits begonnen: Offiziere aus Ländern des Golfkooperationsrats während Kuwaits Unabhängigkeitsfeier.

Gemeinsame Militärübungen haben bereits begonnen: Offiziere aus Ländern des Golfkooperationsrats während Kuwaits Unabhängigkeitsfeier.

(Foto: Yasser al-Zayyat/AFP)

Wenn sich am Dienstag die Monarchen der sechs Mitgliedstaaten des Golfkooperationsrates (GCC) zu ihrem Gipfeltreffen in der katarischen Hauptstadt Doha versammeln, geht davon ein doppeltes Signal der Geschlossenheit an die Region aus. Die Tatsache, dass Katar die jährliche Zusammenkunft der Staatschefs ausrichtet, ist das deutliche Zeichen, dass die Führungsmacht Saudi-Arabien sowie die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain ihren Konflikt mit dem Emirat über den Umgang mit der Muslimbruderschaft beigelegt haben.

Die Golfstaaten wollen sich nun vor allem auf den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat konzentrieren. Dafür steht symbolisch ein gemeinsames militärisches Hauptquartier in Saudi-Arabien, das im Zuge des Gipfels aktiviert werden soll.

Die Pläne dafür hatten die Staaten des 1981 gegründeten Rates im Dezember 2013 bei ihrem letzten Gipfel in Kuwait beschlossen, nachdem zuvor der umstrittene und noch weiter reichende Vorschlag Saudi-Arabiens für die Gründung einer Union der Golfstaaten von der Tagesordnung gestrichen worden war. Vor allem Oman und Katar sehen derartige Bestrebungen Riads kritisch.

Es ist auch nicht klar, ob sie sich an der geplanten gemeinsamen GCC-Truppe beteiligen werden, der einmal 100 000 Soldaten angehören sollen, die meisten davon absehbar aus Saudi-Arabien. Beide Länder beuten im Golf Gasfelder aus, die sie sich mit Iran teilen. Saudi-Arabien und auch die Emirate sehen in der militärischen Integration aber vor allem ein Gegengewicht zur schiitischen Islamischen Republik; die Emirate beanspruchen drei von Iran kontrollierte Inseln für sich.

Die USA erwarten, dass die Länder Verantwortung übernehmen

Ziel der Militärkooperation soll ein einheitliches Verteidigungssystem der bis auf Oman sunnitischen Golfstaaten sein, heißt es in dem Beschluss. Zwar gibt es bereits eine Zusammenarbeit zwischen den Streitkräften der sechs Staaten, die überwiegend mit Waffensystemen amerikanischer und europäischer Hersteller ausgestattet sind.

Von einer Interoperabilität, wie sie etwa gemeinsame Standards zwischen den Nato-Mitgliedern ermöglichen, sind sie aber noch weit entfernt. Zudem haben unterschiedliche Prioritäten und Bedrohungswahrnehmungen der Golfstaaten ebenso wie politische Rivalitäten zwischen ihnen eine engere Kooperation ausgebremst. Die USA und Saudi-Arabien dringen aber seit Jahren darauf, den als losen Zusammenschluss für politische und wirtschaftliche Kooperation gegründeten Rat auch zu einer Organisation der kollektiven Verteidigung weiterzuentwickeln und damit eine regionale Sicherheitsarchitektur für den Golf zu schaffen - wenn auch aus zum Teil verschiedenen Motiven.

Tödliche Befreiungsaktion

In Jemen sind zwei Geiseln der al-Qaida bei einer Befreiungsaktion der US-Armee und der jemenitischen Sicherheitskräfte ums Leben gekommen. Der amerikanische Fotojournalist Luke Somers und der südafrikanische Lehrer Pierre Korkie wurden bei dem Kommandoeinsatz im Südosten des Landes getötet, wie US-Verteidigungsminister Chuck Hagel mitteilte. Korkie starb nach Angaben einer Hilfsorganisation einen Tag, bevor er eigentlich freigelassen werden sollte.

Der im September 2013 von der Extremistengruppe al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel (Aqap) entführte Somers habe die Befreiungsaktion nicht überlebt, sagte Hagel. Präsident Barack Obama verurteilte den "brutalen Mord" an dem 33-Jährigen. Die US-Spezialkräfte waren nach Angaben aus Regierungskreisen in der Nacht in der Provinz Schabwa im Südosten Jemens abgesetzt worden. Sie näherten sich dem Al-Qaida-Versteck zu Fuß, wurden jedoch entdeckt, als sie nur noch hundert Meter entfernt waren. Bei einem Feuergefecht seien die Geiseln von den Entführern angeschossen worden, sagte ein US-Regierungsvertreter. Einer der beiden Männer starb noch auf dem Weg zu einem US-Militärschiff, der andere während einer Notoperation. Nach Angaben des jemenitischen Verteidigungsministeriums wurden bei dem Gefecht zehn Al-Qaida-Kämpfer getötet. Die USA hatten bereits Ende November versucht, Somers zu befreien. Laut Verteidigungsministerium wurden damals acht Geiseln befreit, doch wurden Somers, Korkie und ein Brite anschließend von ihren Kidnappern verlegt.

Für den Südafrikaner Korkie hatten die Geiselnehmer drei Millionen Dollar Lösegeld gefordert. Laut der Hilfsorganisation Gift of the Givers, die über seine Freilassung verhandelt hatte, waren bereits Vorbereitungen getroffen, um den 57-Jährigen auszufliegen. AFP

Washington will sich zumindest ein Stück weit aus der Region zurückziehen und erwartet daher, dass die GCC-Länder mehr Verantwortung für ihre eigene Sicherheit übernehmen. Die Regierung Obama hat daher versucht, die Lieferung von Rüstungsgütern etwa für den Aufbau einer gemeinsamen Raketenabwehr über den Kooperationsrat zu koordinieren und abzuwickeln.

Für Riad und andere GCC-Mitglieder wäre dies aber auch eine Möglichkeit, sich unabhängiger zu machen von den Sicherheitsgarantien der USA. Sie sind mit der Strategie des Weißen Hauses in Syrien unzufrieden, die sich auf den Kampf gegen IS beschränkt und derzeit den Gewaltherrscher Baschar al-Assad eher stabilisiert als zu seinem Sturz beizutragen. Zudem sehen sie die Atomgespräche mit Iran und eine möglicherweise daraus resultierende Annäherung zwischen Washington und Teheran mehr als skeptisch.

Die Aufgaben des neuen Hauptquartiers

Als erste Aufgabe könnte das neue Hauptquartier nun die Koordinierung mit den USA und den anderen westlichen Staaten im Kampf gegen die Nusra-Front und IS-Milizen in Syrien und im Irak übernehmen. Die Golfstaaten betrachten sie als eine ernsthafte Bedrohung ihrer Sicherheit, vor allem nachdem der selbsternannte Kalif Abu Bakr al-Baghdadi explizit zum Kampf gegen das Königshaus in Saudi-Arabien aufgerufen hat. GCC-Generalsekretär Abdul Latif al-Zayani betonte jüngst auf einer Sicherheitskonferenz der Staaten, der Austausch von Geheimdienstinformationen sei Voraussetzung für die Terrorbekämpfung und ein gemeinsames Vorgehen gegen Piraterie.

Neben dem gemeinsamen Militärkommando soll es auch eine Polizei-Kooperation geben, die in Abu Dhabi angesiedelt wird, und eine Sicherheitsakademie, an der Offiziere ausgebildet werden sollen. Ein gemeinsamer Marineverband, der in den kommenden Monaten aufgestellt werden soll, werde sich vor allem um Küstenschutz und Terrorismusabwehr kümmern, wie Generalmajor Achmed Jusif al-Mulla sagte, ein Assistent des kuwaitischen Verteidigungsministers.

Sicherheit heiße für die GCC-Staaten, ihre Ölfelder zu schützen, den Transport des Öls von Bohrplattformen zu den Tankern zu gewährleisten und den freien Verkehr dieser Schiffe im Golf. Allerdings betrachten die Golfstaaten den Verband auch als Reaktion auf "Interventionen" in der Region, worunter sie etwa die Rolle Irans in Jemen fassen, wie Achmed al-Attar von der Denkfabrik Delma Institute in Abu Dhabi darlegt. Die wichtigsten Routen für Waffenlieferungen aus Iran an die rebellierenden schiitischen Huthis in Jemen verliefen über See.

Die GCC-Staaten haben Marokko und Jordanien eingeladen, sich an der Sicherheitskooperation zu beteiligen, auch Ägypten gilt als möglicher Kandidat für eine solche Zusammenarbeit. Der GCC hatte Rabat und Amman im Jahr 2012 mit insgesamt fünf Milliarden Dollar unterstützt. Die Wirtschaftshilfe sollte nicht zuletzt dazu beitragen, ein Übergreifen der Aufstände des Arabischen Frühlings auf diese Länder zu verhindern - in der die Golfstaaten eine Bedrohung für ihre autoritären Regierungssysteme sahen. Vor allem Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate unterstützen auch massiv Ägyptens Regierung unter dem früheren General Abdel-Fatah al-Sisi. Finanzhilfen, Lieferung von kostenlosem Öl und Treibstoff liegt allein in diesem Jahr deutlich im zweistelligen Milliardenbereich.

In diesem Zusammenhang war es für den Rat extrem bedeutsam, den Konflikt mit Katar beizulegen: Zum einen soll sich das Emirat nun bereit erklärt haben, dem vom Militär getragenen Regime in Kairo Finanzhilfe zu gewähren. Zudem hat Doha offenbar zugesagt, seine Unterstützung für die Muslimbruderschaft zu beenden und in Katar lebende Mitglieder der Islamisten-Vereinigung in die Türkei auszuweisen. Der im Besitz der Herrscherfamilie befindliche Nachrichtensender Al-Jazeera soll zudem seine Attacken auf die Regierung in Kairo einstellen, so zumindest die Erwartung in Ägypten und einigen Golfstaaten.

Saudi-Arabien, die Emirate und Bahrain hatten Katar Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten vorgeworfen und im März ihre Botschafter aus Doha abberufen. Bei einem Krisentreffen in Riad Mitte November hatten sie ihren Streit beilegen können - und damit das Gipfeltreffen in der katarischen Hauptstadt gerettet.

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