Kabinett Merkel in Israel:Küsschen rechts, Küsschen links

Jeder Besuch ein "erfrischendes historisches Ereignis": Kanzlerin Merkel und ihr Kabinett werden in Jerusalem mit offenen Armen empfangen. Um das Verhältnis Deutschlands zu Israel steht es ohnehin bestens. Vielleicht auch, weil man weiß, wo es nicht so gut ist.

Von Nico Fried, Jerusalem

Es ist immer überraschend, wenn ein deutscher Politiker in Israel so begrüßt wird: "Jeder Besuch von Ihnen ist ein erfrischendes historisches Ereignis", sagt Staatspräsident Schimon Peres zu Angela Merkel. Es ist Dienstagnachmittag in Jerusalem und die Kanzlerin hat soeben den höchsten zivilen Orden Israels erhalten, die Präsidentenmedaille. Sie wird vergeben für Verdienste um Israel, die Menschheit und die Verbesserung der Welt. "Ihr Einstehen für Israels Sicherheit und den Frieden steht wie ein Fels", sagt Peres. Mit dem Orden sage Israel Dank für Merkels Prinzipien und ihre entschlossene Art, sie zu vertreten. So weit ist es gekommen mit Merkel. So weit musste sie freilich auch reisen, um so etwas zu hören.

90 Jahre ist Peres alt. Er hat die Staatsgründung erlebt, die Kriege und all die Jahrzehnte ohne Frieden. Als Merkel 1954 geboren wurde, war Peres Generaldirektor des Verteidigungsministeriums und zuständig für die Beschaffung von Waffen. Als Merkel fünf Jahre alt war, wurde Peres in die Knesset gewählt. Als Peres den Friedensnobelpreis erhielt, wurde Merkel Umweltministerin unter Helmut Kohl.

Merkels neuntes Jahr

Als Kanzlerin macht Merkel Nahost-Politik nun im neunten Jahr. Dreimal war sie vorher schon in Israel, traf auch Peres schon als CDU-Vorsitzende. Es sei etwas ganz Besonderes für sie, diesen Orden entgegenzunehmen, sagt Merkel, "etwas Einzigartiges". Im Januar 2006 kam sie erstmals als Regierungschefin. Damals war Ehud Olmert gerade Ministerpräsident geworden, nachdem Ariel Scharon einen Schlaganfall erlitten hatte und im Koma lag. Die Hamas hatte die Wahlen in den Palästinensergebieten gewonnen, und im Iran war seit einem halben Jahr Mahmud Ahmadinedschad Präsident und wollte Israel von der Landkarte radieren. Hat sich in diesen acht Jahren etwas bewegt? Nicht viel. Aber auch nicht nichts.

Ahmadinedschad ist weg. Die fünf Sicherheitsratsmitglieder und Deutschland verhandeln mit dem Iran über sein Atomprogramm. Es ist das Ergebnis einer Initiative, die noch die rot-grüne Regierung gemeinsam mit Frankreich und Großbritannien ergriffen hatte. Es dauert eben alles lange in dieser Region, sehr lange. Benjamin Netanjahu ist von den Verhandlungen bis heute nicht begeistert. 50-mal gefährlicher als Nordkorea sei der Iran, poltert Israels Premier in der gemeinsamen Pressekonferenz mit Merkel. Teheran dürfe nicht eine einzige Zentrifuge behalten, keine Anreicherung betreiben, kein Plutonium besitzen. Darin sei er sich sogar mit den arabischen Staatschefs der Region einig, sagt Netanjahu. "Und das kommt ja nicht so oft vor."

Diese Kompromisslosigkeit ist eine Herausforderung für jeden Gesprächspartner Netanjahus. Auch für die Kanzlerin. Mit Ehud Olmert hatte sich Merkel gut verstanden, aber wirkliche Fortschritte im Friedensprozess erzielte er nicht. Mit Netanjahu ist das persönliche Verhältnis schwieriger, auch wenn der Premierminister in der gemeinsamen Pressekonferenz mit Merkel flötet, wie sehr er Merkels Freundschaft schätze.

Dafür gibt es in diesen Wochen einen klitzekleinen Hoffnungsschimmer für eine Verständigung zwischen Israelis und Palästinensern. Unter Vermittlung von US-Außenminister John Kerry arbeiten beide Seiten an einem Rahmenabkommen, das weitere, detailliertere Verhandlungen ermöglichen soll. Es wäre eine Verständigung darauf, einen weiteren Versuch zu unternehmen, sich zu verständigen. Merkel, die in ihren ersten Jahren als Kanzlerin mit einer Mischung aus Optimismus und Ungeduld durch den Nahen Osten reiste, wird längst von nüchternem Realismus begleitet. Die Initiative Kerrys unterstützen die Kanzlerin wie auch ihr Außenminister Frank-Walter Steinmeier mit größtmöglichem Enthusiasmus.

Symbol für die Unstimmigkeiten

Kerry ist der erste Amerikaner, der sich seit dem Scheitern Bill Clintons in Camp David wieder auf friedliche Weise und mit voller Kraft im Nahen Osten engagiert. Wenn er es nicht schafft, wird wieder auf Jahre hinaus niemand dazu bereit sein. Die Deutschen unterstützen ihn also auch, weil es sonst nichts zu unterstützen gibt. Und weil Europa alleine zu wenig auf die Waage bringt, um in der Region politisch ins Gewicht zu fallen.

Die Siedlungsfrage steht meist im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Sie ist geradezu zu einem Symbol für Unstimmigkeiten zwischen den beiden Regierungen geworden, auch weil Merkel beim letzten Besuch von Netanjahu in Berlin die griffige Formel verwendete, man sei sich in diesem Punkt "einig, sich nicht einig zu sein". In diesen zwei Tagen in Israel bekommt man allerdings den Eindruck, Merkel würde von dieser Fokussierung auf die Siedlungsfrage gerne ein wenig wegkommen - nicht weil das Problem nicht existierte, im Gegenteil, sondern weil es gerade auch in der Wahrnehmung der deutschen Öffentlichkeit die Verantwortung zu einseitig der israelischen Seite zuschreibt. Merkels neue Formel lautet nun, man sei in der Siedlungsfrage "nicht immer einer Meinung".

Nächstes Jahr feiern Deutschland und Israel 50 Jahre diplomatische Beziehungen. Merkel würde schon jetzt gerne auch andere Aspekte der Beziehungen in den Vordergrund rücken. Der Anlass der Regierungskonsultationen ist dafür wie gemacht, zumal außer dem erkrankten Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und Kanzleramtschef Peter Altmaier das ganze Kabinett mitgeflogen ist.

Merkel appelliert an Israel und Palästina

Die Zusammenarbeit in der Forschung preist Merkel, deutsch-israelische Projekte in der Entwicklungshilfe und die Vereinbarung, dass deutsche Auslandsvertretungen künftig in allen Ländern konsularische Aufgaben übernehmen, in denen Israel keine Botschaften hat. Zehn Seiten umfasst eine gemeinsame Erklärung, in der die ganze Bandbreite der Beziehungen gepriesen wird, vom Jugendaustausch bis zur Bekämpfung von Cyber-Kriminalität, vom Eisenbahnausbau in Israel bis zu Rentenzahlungen an noch lebende Ghettoarbeiter. Für diese Initiative bedankt sich Netanjahu ausdrücklich, auch wenn der Gesetzentwurf noch immer nicht dem Bundestag vorliegt.

In ihrer Dankesrede für die Präsidentenmedaille appelliert Merkel noch einmal an die Kompromissbereitschaft von Israelis und Palästinensern. Und sie verspricht, dass Deutschland Israel als "ehrlicher und verlässlicher Partner" begleiten werde. Von Peres bekommt die Kanzlerin daraufhin zwei Küsschen: eins rechts, eins links.

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