Islamisten:Nur eine Armee kann den IS besiegen

Islamisten: Ein irakischer Kämpfer gegen den IS an der Front nördlich von Falludschah.

Ein irakischer Kämpfer gegen den IS an der Front nördlich von Falludschah.

(Foto: AFP)

Aber wer soll die Truppen stellen? Und wie ließe sich verhindern, dass der Bürgerkrieg in Syrien sich zu einem Regionalkrieg auswächst - von dem am Ende nur der IS profitiert?

Von Paul-Anton Krüger

Der britische Ex-General David Richards hat der BBC eine scheinbar simple Antwort auf die Frage gegeben, wie sich die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien und im Irak besiegen ließe: "Wir brauchen eine Armee", sagte Richards, von 2010 bis 2013 Generalstabschef der Streitkräfte. Eine Armee, wie sie 2003 gegen Saddam Hussein ins Feld gezogen sei, würde den IS binnen Tagen aufrollen, prophezeite er. Aber auch eine Truppe von 100 000 Mann könnte in überschaubarer Zeit die militärische Auseinandersetzung mit den Kämpfern des selbsternannten Kalifen gewinnen, glaubt er - wenn sie aus gut ausgerüsteten, integrierten Verbänden bestehe und massive Luftunterstützung habe.

Nur: Diese Armee gibt es nicht. Es ist ein altes Lamento, geteilt von den meisten Militäranalysten: Mit Luftangriffen allein wird sich der IS nicht bezwingen lassen, dazu braucht es Bodentruppen. Daran ändern auch die jüngsten Erfolge der von den USA geführten Allianz nichts, die den IS zumindest geschwächt haben. Der Westen aber will keine Soldaten entsenden. Die syrischen Regierungstruppen meiden die Auseinandersetzung mit dem IS und konzentrieren sich darauf, andere Rebellen mit Hilfe Russlands und Irans niederzukämpfen. Russlands Luftangriffe zielen nur gelegentlich auf den IS, Moskaus Speznas-Spezialkräfte in Syrien gehen den Dschihadisten aus dem Weg.

Ramadi ist wieder unter der Kontrolle der irakischen Armee - aber völlig zerstört

Die irakische Armee bildet zwar neue Einheiten aus und hat nach Monaten der Vorbereitung Ramadi zurückerobert, die Hauptstadt der überwiegend von Sunniten bewohnten Provinz Anbar. Nimmt man diese Schlacht zum Maßstab, wird es lange dauern, bis der IS militärisch in ernste Bedrängnis gerät. Und der Preis wird extrem hoch sein. Von Ramadi sind nur Ruinen geblieben. Kaum auszumalen, was ein solcher Einsatz in einer Stadt wie Mossul für Folgen hätte, die der IS seit Monaten befestigt und die Heimat von drei Millionen Menschen war.

Als schlagkräftigste Verbündete gegen den IS haben sich bislang die Kurden erwiesen, sowohl die Peschmerga der Regionalregierung im irakischen Erbil als auch die Volksverteidigungseinheiten (YPG) der syrischen Partei der Demokratischen Union (PYD). Während die Bundesregierung den Peschmerga Waffen geliefert hat, unterstützen die USA auch die YPG - teils mit Waffen, auch wenn diese offiziell für arabische Kämpfer gedacht waren.

Beide Gruppen sind politisch problematische Partner: Die irakischen Kurden spielen wieder deutlich vernehmbar mit der Idee eines eigenen Staates. Präsident Masud Barzani, der unter starkem innenpolitischen Druck steht, ließ jüngst erst ein Referendum ankündigen, nur um kurz später zu beteuern, es werde nicht zwangsläufig eine Unabhängigkeitserklärung nach sich ziehen. Die Regierung von Präsident Barack Obama und auch europäische Staaten wollen allerdings ein Auseinanderbrechen des Irak vermeiden. Sie fürchten eine Kettenreaktion mit unabsehbaren Folgen für die Region.

Die Anti-IS-Koalition muss mit wechselnden Partnern zusammenarbeiten

Die YPG wiederum gelten der Türkei als syrischer Ableger der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK, gegen die Ankara im eigenen Land Krieg führt. Offen hat Präsident Recep Tayyip Erdoğan von den USA gefordert, sie müssten sich entscheiden. "Bin ich euer Partner oder sind es die Terroristen in Kobanê?", fragte er erbost, nachdem Obamas Sondergesandter Brett McGurk die vor einem Jahr von den Kurden mit US-Luftunterstützung freigekämpfte syrische Grenzstadt besucht hatte. Nichts fürchtet Erdoğan mehr, als die Entstehung eines Kurdenstaates auf syrischer Seite der Grenze.

Zudem werden weder die irakischen noch die syrischen Kurden für die Befreiung sunnitisch dominierter Gebiete zur Verfügung stehen, die den Kern des Kalifats ausmachen. So ist die von den USA geführte Koalition gegen den IS weiter angewiesen darauf, mit wechselnden Partnern am Boden zusammenzuarbeiten, die kaum die Kriterien erfüllen, von denen General Richards in der BBC sprach.

Aufmerksamkeit erregt deshalb ein Angebot des Sprechers der Streitkräfte Saudi-Arabiens: Das Königreich sei bereit, Bodentruppen für den Kampf gegen den IS nach Syrien zu entsenden, wenn die USA die Führung eines solchen Einsatzes übernähmen, die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain schlossen sich an. Türkische Medien spekulieren schon über ein Truppe sunnitischer Staaten von 150 000 Mann, was die Regierung umgehend dementierte.

Syrien und seine Verbündeten Iran und Russland würden dies zweifellos als Invasion betrachten. Ohne eine Armee aber wird sich der IS nicht besiegen lassen, da mag General Richards recht haben. Doch wenn aus dem Bürgerkrieg in Syrien und dem überlappenden Kampf gegen den IS ein Regionalkrieg entbrennen würde - der größte Profiteur wäre Terror-Kalif Abu Bakr el-Bagdadi.

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