Iran:Jubiläum ohne Jubel

40 Jahre nach dem Sturz des Schahs steckt die islamische Republik in ihrer tiefsten Krise. Auf einen baldigen Sturz des Regimes zu hoffen, wäre jedoch naiv.

Von Paul-Anton Krüger

Schah Mohammed Reza Pahlavi ließ sich mit seiner Gattin Farah in Assuan über den Nil schippern, scheinbar unbeschwert. Offiziell war der Herrscher Persiens in diesen Tagen vor 40 Jahren zu einer Urlaubsreise aufgebrochen. Auf den Pfauenthron aber sollte er nie zurückkehren. Es war das Ende einer 37 Jahre währenden Regentschaft sowie von 2500 Jahren Monarchie - und zugleich ein Schlüsselereignis im nahöstlichen Umbruchjahr 1979, das bis heute fortwirkt, ebenso wie das Friedensabkommen zwischen Israel und Ägypten, die Besetzung der Großen Moschee in Mekka und die sowjetische Invasion in Afghanistan.

Am 2. Februar 1979 kehrte Ajatollah Ruhollah Chomeini aus dem erzwungenen Exil in Paris nach Teheran zurück, umjubelt von Millionen. Die Islamische Revolution hatte gesiegt. Das Regime feiert das Jubiläum nun als Beleg, dass der Gottesstaat gottgewollt sei, als fortwährenden Sieg gegen die Vereinigten Staaten, denen es nicht gelungen sei, Iran wieder zu dominieren wie zu Zeiten des Schahs.

Obwohl die Islamische Republik in einer ihr oft feindlich gesinnten Region zum Zenit ihrer Macht aufgestiegen ist, ironischerweise auch dank der USA und deren Invasion im Irak 2003, steckt sie in der tiefsten Krise ihrer Existenz. 1979 ist in Iran in aller Munde als Chiffre für Umsturz. Die Parallelen sind augenfällig und den Herrschenden bewusst.

Dem Sturz des Schahs vorangegangen waren Streiks und Proteste unterschiedlichster politischer Gruppen, die sich nur in der Ablehnung der autoritären Herrschaft und Korruption einig waren. Seit einem Jahr gehen vielerorts in Iran wieder Menschen auf die Straße. Sie sehen die Gründe für die Wirtschaftskrise nicht wie die Propaganda in den von US-Präsident Donald Trump wieder eingesetzten Sanktionen, sondern in der Misswirtschaft des Regimes und der Korruption. Sie fordern, die Öl-Milliarden nicht für die Unterstützung Baschar al-Assads in Syrien, der Huthis in Jemen, der Hisbollah oder der Hamas zu verpulvern, für den Export der Revolution oder religiöse Stiftungen im Machtbereich des Obersten Führers Ali Chamenei. Sie wollen bessere Lebensbedingungen, denn für die Mehrheit der Iraner werden sie seit Jahren schlechter.

Die religiös verbrämte Ideologie, der rituelle Antiamerikanismus, die Parolen gegen den Westen und Israel empfinden selbst viele Gläubigen als so hohl wie einst die Selbstbeweihräucherungen des Kaisers. Das Regime tut sich schwer, die Flamme der Revolution an die Generationen weiterzugeben, die die identitätsstiftenden Ereignisse der Islamischen Republik nicht erlebt haben, wie die Besetzung der US-Botschaft oder den achtjährigen Krieg gegen den damals vom Westen gestützten irakischen Diktator Saddam Hussein. Ging 1979 vielen Iranern die vom Schah betriebene Säkularisierung und Verwestlichung zu weit, finden sich heute in keinem anderen muslimischen Land der Region so viele Junge, die so am Westen orientiert, so säkular eingestellt sind wie in Iran. Fürchteten damals viele, der Tschador falle, protestieren heute Iranerinnen gegen den Zwang, ein Kopftuch zu tragen.

Auch die Unfähigkeit, mit der Unzufriedenheit umzugehen, zeigt Ähnlichkeiten. Der Schah flüchtete sich in Fatalismus, die heutige Machtclique verschanzt sich hinter einem angeblichen göttlichen Auftrag. Die Methoden sind dieselben: rücksichtslose Unterdrückung jeglicher politischer Opposition. Dabei ist der Sicherheitsapparat der Mullahs ebenso brutal wie die Geheimpolizei Savak des Schahs.

Was 1979 grundlegend von 2019 unterscheidet, ist das Fehlen eines charismatischen Anführers wie Chomeini. Trotz mancher Sehnsucht nach der Modernisierung des Landes und den freiheitlicheren Lebensstil unter dem Schah wünschen sich nur wenige die Monarchie zurück oder den in den USA lebenden Thronerben Reza Pahlavi. Keinen Rückhalt hat die Exilopposition der Volksmudschahedin, die in der Trump-Regierung über namhafte Unterstützer verfügt.

Kaum verhohlene Aufrufe aus Washington zum Regimewechsel und den Versuch, ihn durch Wirtschaftssanktionen zu befördern, sehen viele Iraner kritisch. Von ausländischer Einmischung haben die meisten Iraner aus leidvoller Erfahrung genug - die CIA hatte den Putsch orchestriert, der den Schah 1954 zurück an die Macht brachte. Und wenig fürchten sie mehr als einen Absturz ihres ethnisch und religiös vielfältigen Landes in Chaos und Bürgerkrieg.

Die Systemfrage aber stellt sich spätestens, wenn der seit 30 Jahren herrschende, 79 Jahre alte Oberste Führer Ali Chamenei stirbt. Die stärkste Institution der Islamischen Republik sind die Revolutionsgarden, die Schlüsselbranchen der Wirtschaft kontrollieren, die Rüstungsprogramme und die expansionistische Regionalpolitik. Gewiss: Den Schah rettete sein hochgerüstetes Militär nicht. Dass aber die Revolutionsgarden die Macht aus der Hand geben, ist angesichts ihrer Eigeninteressen eine naive Vorstellung.

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