Nuklearprogramm:Warum Irans Drohungen Europa in Bedrängnis bringen

Nuklearanlage zur Uran-Umwandlung in Isfahan

Iranische Abgeordnete besuchen eine Nuklearanlage zur Uran-Umwandlung in der zentraliranischen Stadt Isfahan in 2004.

(Foto: picture-alliance / dpa/dpaweb)
  • Der iranische Präsident Rohani kündigt an, dass sich Iran nicht mehr vollständig an das Atomabkommen halten wird.
  • Die Situation wird durch ein Ultimatum verschlimmert, das Rohani zugleich stellte: Innerhalb von 60 Tagen solle Europa dafür sorgen, dass Iran trotz der neuen US-Sanktionen weiter Öl exportieren könne.
  • Die Bundesregierung erwartet, dass Iran "das Abkommen vollumfänglich umsetzt - und zwar ohne Abstriche".

Von Daniel Brössler und Paul-Anton Krüger

Auf den Tag genau vor einem Jahr war es, dass US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus vor die Kameras trat. Er verkündete, was viele befürchtet hatten: Amerika werde sich aus dem Atomabkommen mit Iran zurückziehen. Über Monate hatten die europäischen Verbündeten und selbst Mitglieder seiner eigenen Regierung versucht, ihn davon abzuhalten. In Berlin, Paris und London glaubte man sich schon einer Einigung nahe. Es sollte Folgeverhandlungen geben mit Iran über das Nukleardossier und Gespräche über Teherans Raketenprogramm und das destabilisierende Verhalten des Landes in Syrien, Irak, Jemen oder Libanon. Doch Trump wählte den Bruch - mit dem Abkommen und mit den Verbündeten. Das war am 8. Mai 2018.

Exakt ein Jahr später ging nun Irans Präsident Hassan Rohani seinerseits vor die Kameras. Im Staatsfernsehen verkündete er, was er zuvor den verbliebenen Partnern des Atomabkommens, also Frankreich, Großbritannien und Deutschland sowie China und Russland, schon in Briefen mitgeteilt hatte. Sie waren den Botschaftern der fünf Länder in Teheran übergeben worden. Die Islamische Republik wird die Bestimmungen des Abkommens nicht mehr vollständig einhalten. "Wir können nicht allein ein internationales Abkommen umsetzen", sagte er.

Rohani kündigte an, kein angereichertes Uran mehr auszuführen und auch kein schweres Wasser. Das verstößt nicht direkt gegen das Abkommen. Dort sind nur Obergrenzen für die Stoffe vorgeschrieben, die Iran nicht überschreiten darf: 300 Kilogramm Uran und 130 Tonnen schweres Wasser, das als Kühlmittel für einen Reaktor in Arak dienen soll. Ebenso wie einen weiteren Ausbau des Atomkraftwerks in Buschir hatten die USA aber genau diese Exporte von Uran nach Russland und Schwerwasser nach Oman jüngst mit Sanktionen bedroht. Iran bleibt damit nur, die Produktion zu stoppen - oder absehbar das Abkommen zu verletzen.

Europäische Diplomaten hatten vergeblich versucht, Iran von seinen Plänen abzubringen

Zugleich stellte Rohani ein Ultimatum: Es werde noch wesentlich problematischere Konsequenzen geben, sollten die Europäer nicht binnen 60 Tagen dafür sorgen, dass Iran trotz der neuen US-Sanktionen weiter Öl exportieren kann und die Banken nicht vom internationalen Finanzsystem abgeschnitten werden. Trump hatte jüngst die noch bestehenden acht Ausnahmegenehmigungen für Ölkäufe auslaufen lassen mit dem erklärten Ziel, Irans Exporte auf null zu reduzieren. Rohani drohte, Iran werde anderenfalls Beschränkungen für die Urananreicherung nicht mehr einhalten und den umstrittenen Reaktor in Arak fertig bauen, der größere Mengen Plutonium produzieren könnte - neben hochangereichtem Uran der zweite Stoff, aus dem sich Atomwaffen herstellen lassen.

Klauseln mit Hintergedanken

Das Atomabkommen zwischen Iran und den verbliebenen Vertragsparteien Frankreich, Großbritannien, Deutschland, China und Russland füllt 159 Seiten, vieles davon sind technische Definitionen. In Punkt 26 des Textes ist festgehalten, dass Iran sich vorbehält, seine Verpflichtungen vollständig oder in Teilen nicht mehr umzusetzen, sollten neue Sanktionen verhängt werden. Darauf beruft sich Präsident Hassan Rohani, wenn er nun sagt, Iran verletze nicht den Vertrag durch seine Ankündigung, einige Bestimmungen nicht mehr umzusetzen. In Punkt 36 ist ein Mechanismus zur Lösung von Konflikten vorgesehen. Eine gemeinsame Kommission soll dann beraten; sie kann auf Ebene der Außenminister oder hoher Beamter tagen. In diesem Forum wird man nun versuchen, begleitet von intensiver Diplomatie, eine Lösung zu finden. Europäische Diplomaten sind überzeugt, dass Rohani und Außenminister Mohammed Dschawad Sarif das Abkommen erhalten wollen - es ist ihr politisches Vermächtnis. Allerdings ist der Handlungsspielraum der Europäer beschränkt. Sie können private Unternehmen nicht zwingen, in Iran Öl zu kaufen, wenn die Firmen das mit Rücksicht auf ihre Geschäftsinteressen in den USA nicht tun. Und diese Situation ist im Abkommen auch nicht ausbuchstabiert. SZ

Europäische Diplomaten hatten in den vergangenen Tagen versucht, Iran von einem solchen Ultimatum abzubringen. Zwar bekräftigte Rohani, dass Iran an dem Abkommen festhalte und man Verhandlungen mit den verbliebenen Partnern anstrebe. Auch beruft sich Teheran auf eine Klausel im Abkommen, in der Iran sich vorbehalten hat, seine Verpflichtungen einzuschränken, wenn die andere Seite den ihren nicht nachkomme. Allerdings werden die Europäer bei allem guten Willen nicht hinnehmen, dass Vorgaben, die zum Kernbestand der nuklearen Beschränkungen zählen, nicht mehr eingehalten werden.

"Geschäftsgrundlage ist die vollständige Einhaltung der Verpflichtungen. Eine teilweise Verletzung der Verpflichtungen ist nicht akzeptabel", machte der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, klar. Von einer Rückkehr zu Sanktionen will man seitens der Bundesregierung aber noch nicht sprechen. Man wolle sich erst mit den anderen Partnern beraten. Das sind zuallererst Deutschlands engste Verbündete, die Franzosen. Auf die Frage, ob es europäische Sanktionen geben werde, sollte Iran seine Verpflichtungen nicht einhalten, antwortete am Mittwoch in Paris Verteidigungsministerin Florence Parly: "Es ist wahrscheinlich eines der Dinge, die untersucht werden." Der Elysée hatte sich tags zuvor noch drastischer geäußert.

Deutschland hält am Atomabkommen fest

In Berlin sieht man das nicht grundsätzlich anders: Man stehe "ohne Abstriche" zum Nuklearabkommen, sagte Außenminister Heiko Maas (SPD). Deshalb erwarte man auch, dass Iran "das Abkommen vollumfänglich umsetzt - und zwar ohne Abstriche". Deutlicher äußerte sich der Vize-vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Johann Wadephul. Breche Iran die Auflagen, habe das "zwangsläufig schwere Sanktionen zur Folge".

Iran gibt Teilausstieg aus dem Atomabkommen bekannt

"Wir können nicht allein ein internationales Abkommen umsetzen": Präsident Hassan Rohani im Atomkraftwerk Buschir.

(Foto: Mohammad Berno/Iranian President's Office/dpa)

Rohani hat aber noch eine weitere Eskalation angedroht: Sollte der Sicherheitsrat angerufen werden, ziehe das eine "sehr entschlossene Reaktion" nach sich, warnte er. In Teheran ist zu hören, dass Iran dann die Mitgliedschaft im Atomwaffensperrvertrag kündigen könnte.

Groß ist in Berlin die Sorge, dass der Konflikt außer Kontrolle geraten und auch militärisch eskalieren könnte. Man fordere Iran auf, "keine aggressiven Schritte zu unternehmen, welche die Spannungen in der Region verstärken könnten", sagte Seibert. Allerdings, so heißt es aus der Bundesregierung, habe sie keine eigenen Erkenntnisse über mögliche iranische Angriffspläne etwa auf US-Einrichtungen im Irak. Darüber unterrichtete der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Niels Annen (SPD), am Mittwoch die Abgeordneten im Auswärtigen Ausschuss.

"Instex" ist ein Beispiel gelungener Zusammenarbeit mit dem Iran

Verloren geben will die Bundesregierung den Versuch aber noch nicht, den Iran-Deal trotz Trumps "Kampagne des maximalen Drucks" zu retten. "Große Fortschritte" habe man beim Aufbau der Zweckgesellschaft Instex gemacht, die es europäischen Unternehmen ermöglichen soll, trotz der US-Sanktionen Handel mit Iran abzuwickeln, betonte Seibert. Dabei liege der "Schwerpunkt auf Bereichen, die für die iranische Bevölkerung am wesentlichsten sind", wie Medikamente und Lebensmittel. Allerdings ist immer noch nicht klar, wann Transaktionen über Instex abgewickelt werden können. Das dauere länger als erhofft, räumte Seibert ein.

Die Iraner verlieren längst die Geduld. Doch zum Teil liegen die Verzögerungen auch daran, dass Teheran selbst nicht besonders schnell war dabei, die nötigen Strukturen in Iran aufzubauen. Auch hilft dieser Mechanismus, den die Amerikaner als Papiertiger verspotten, nicht beim Verkauf von Erdöl. Schon vor der Verschärfung des US-Embargos kaufte kein europäisches Land mehr den Rohstoff, der für Iran die wichtigste Devisenquelle ist.

Europäische Diplomaten glauben, dass Trump einen neuen Deal zu seinen Konditionen aushandeln will. Er hat laut iranischen Quellen mehrmals Gespräche angeboten - allerdings hat Außenminister Mike Pompeo dafür Vorbedingungen formuliert, die einer Kapitulation Teherans gleichkämen. Zudem lehnt der Oberste Führer Ali Chamenei Verhandlungen ab. Die Avancen blieben unbeantwortet

Ultrakonservative Politiker und die Revolutionsgarden nutzen das Thema, um die moderateren Kräfte im Land in die Enge zu treiben. Die innenpolitische Auseinandersetzung hat einen aktuellen Hintergrund. Der 80-jährige Khamenei ist angeblich krebskrank. Sollte er sein Amt nicht mehr ausfüllen können oder sterben, würde sich das Machtgefüge verschieben. Die Revolutionsgarden machen ohnehin losgelöst von Präsident Rohani ihre eigene Außenpolitik. Sie sind für die Ausweitung der Militärpräsenz Irans in der Region oder das Raketenprogramm verantwortlich. Und sie haben das Atomabkommen immer als unverzeihlichen Fehler gesehen.

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