Integrationsdebatte:Seehofers Gegenwelt

Horst Seehofer hat das Gegenmodell zum Deutschland-Bild von Bundespräsident Wulff entworfen: Der bayerische Ministerpräsident attestiert Millionen Menschen, dass sie nicht nach Deutschland passen. Der Schaden, den er anrichtet, ist beträchtlich.

Daniel Brössler

Vermutlich ist das schlechte Timing noch das Beste an den jüngsten Äußerungen des bayerischen Ministerpräsidenten. Horst Seehofer hat gesagt, dass Zuwanderer aus anderen Kulturkreisen wie der Türkei und arabischen Ländern, "sich insgesamt schwerer tun", weshalb weitere Zuwanderer von dort unerwünscht seien. Kurz nach einem Sieg der deutschen Fußball-Nationalmannschaft über die Türkei mit maßgeblicher Beteiligung eines türkischstämmigen Spielers richten sich solche Worte selbst.

Der Schaden, den sie anrichten, bleibt dennoch beträchtlich. Seehofer hat Millionen Menschen, unter ihnen vielen deutschen Staatsbürgern, attestiert, dass sie kulturell nicht nach Deutschland passen. Er hat so das Gegenmodell entworfen zum Deutschland-Bild von Bundespräsident Christian Wulff, zu dem auch der Islam gehört.

Wer, wie Wulff und auch Kanzlerin Angela Merkel, den Islam zu Deutschland zählt, kann im Gegenzug den Muslimen etwas abverlangen: Verantwortungsgefühl für Deutschland. Wer sie aber abstempelt als schwierige Gäste, schickt sie in jene Parallelgesellschaft, die er angeblich abschaffen will.

Seehofer ist das Kunststück gelungen, einen wesentlichen Teil der Bevölkerung vor den Kopf zu stoßen und mit diesem auch die Kanzlerin. Die hat erst am Wochenende zusammen mit dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan für die Integration der Türken geworben.

Der Versuch Wulffs und Merkels, die Integrationsdebatte in geordnete Bahnen zu lenken, ist jedenfalls erst einmal gescheitert. Sie müssen erleben, was passiert, wenn sich Deutschland eine Debatte vornimmt. Es geht dann zu wie beim Wandertag, das Tempo bestimmt der Langsamste.

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