Innenministerkonferenz:Überraschungsbesuche bei Verbrechern

Razzia gegen kriminelle Clans in Berlin

Die Polizei führt nach einer Razzia gegen kriminelle Mitglieder arabischer Clans in Berlin einen Mann ab.

(Foto: Paul Zinken/dpa)
  • In Kiel treffen sich die Innenminister der Bundesländer drei Tage lang.
  • Ein wichtiges Thema ist die Clan-Kriminalität. Die Berliner Landesregierung fordert, dass alle Länder ihr Vorgehen gegen kriminelle Großfamilien übernehmen.
  • Schleswig-Holstein will erörtern, ob Sicherheitsbehörden Zugriff auf Daten bekommen, die digitale Geräte wie Sprachassistenten im Netz hinterlassen.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Es soll um Clan-Kriminalität gehen, um Polizeianwärter mit Neigung zu Extremismus, aber auch um Abschiebungen und die Auswertung von Spuren, die das rundum digitalisierte Smart-Home im Netz hinterlassen kann. Drei Tage lang wollen die Innenminister der Länder ab Mittwoch in Kiel beraten. Ärger ist bei der Innenministerkonferenz (IMK) diesmal eher nicht vorgesehen. Allerdings gab es schon in den Tagen davor eine ganze Reihe von Themen, bei denen noch lange keine Einigkeit besteht.

Auf den Verhandlungstisch in Kiel soll auf Initiative aus Berlin beispielsweise das Thema Clan-Kriminalität. Gemeint sind Großfamilien, die in Berlin, aber auch in Bremen, Nordrhein-Westfalen oder Niedersachsen kriminelle Subkulturen gebildet haben. Oft stammen solche Familien aus dem Libanon, sprechen Arabisch, Kurdisch oder Türkisch und fallen mit Drogen- und Waffenhandel auf, mit Autoschiebereien, Nötigung, Körperverletzung, Steuerhinterziehung und Geldwäsche.

Auch der spektakuläre Diebstahl einer 100 Kilogramm schweren Goldmünze aus dem Berliner Bode-Museum soll auf das Konto eines stadtbekannten Clans gehen. Gewinne aus solchen Straftaten fließen nicht selten in den Libanon ab. Oft hat die Justiz alle Mühe, Täter zu verurteilen.

2018 konfiszierten die Behörden 77 Geldwäsche-Immobilien in der Hauptstadt

Berlins rot-rot-grüne Landesregierung ist nicht geneigt, das Phänomen zu beschönigen. Nach einem Überfall auf eine Sparkassenfiliale etwa fiel Ermittlern auf, dass Verdächtige und ihre Angehörigen von Harzt IV lebten, aber wertvolle Immobilien besaßen. In kriminellen Großfamilien dient der boomende Berliner Immobilienmarkt regelmäßig als Geldwaschanlage. Ein Gesetz erlaubt es dem Land inzwischen, Eigentum aus kriminellen Machenschaften vorerst zu beschlagnahmen. 2018 wurden 77 Immobilien eingezogen.

Auch im Alltag treten Berliner Behörden den Clan-Mitgliedern auf die Zehen. Zum "niederschwelligen Eingreifen im Vorfeld" gehören Kontrollen von Autos und Führerscheinen, Knöllchen bei Parken in zweiter Reihe oder Überraschungsbesuche des Gesundheitsamts in der Restaurantküche. In Neukölln sitzen zudem Polizei, Justiz, Bezirk und Ordnungsamt regelmäßig an einem Tisch. Bisweilen wird auch das Jobcenter dazugeladen, um abzugleichen, wo Hartz-IV-Empfänger über erstaunliche Mittel oder Grundbesitz verfügen.

Bei der Innenministerkonferenz will Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) dafür sorgen, dass das Berliner Modell bundesweit Schule macht. "Die provokative Ablehnung unserer rechtsstaatlichen Regeln nehmen wir nicht länger hin", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Berlin lege bei der IMK eine "Blaupause für ein nationales Bekämpfungskonzept" vor: "Wir brauchen jetzt auch auf Bundes- und europäischer Ebene ein konzertiertes Vorgehen."

Niedersachsen und Bremen unterstützen Geisels Vorstoß. Einige unionsregierte Länder hingegen würden den Antrag gern verschärfen - etwa durch Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft bei Clankriminalität. Im Berliner Innensenat hält man das weder für sinnvoll noch durchführbar. Zwei Drittel der Verdächtigen besäßen einen deutschen Pass. Für die Aberkennung der Staatsbürgerschaft gebe es in den vorliegenden Fällen keine rechtliche Grundlage. Mit solchen Mitteln komme man ihnen nicht bei.

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) will bei der IMK beantragen, dass Anwärter für den Polizeidienst auf Verfassungstreue überprüft werden können. Dazu müsste die Polizei Zugriff auf Daten des Verfassungsschutzes bekommen, was bislang verboten ist. Strittig war zunächst noch Pistorius' Forderung nach Messerverbotszonen an belebten Orten wie Einkaufszentren oder Kitas. "Das Verbot zu überwachen und durchzusetzen ist nicht ganz trivial", sagt der Sprecher des schleswig-holsteinischen Innenministers Hans-Joachim Grote (CDU).

Grote will seinerseits "digitale Spuren" thematisieren, also die Frage, ob Sicherheitsbehörden Zugriff auf Daten bekommen, die digitale Geräte wie Sprachassistenten im Netz hinterlassen. Das Bundesinnenministerium hat Zustimmung signalisiert. Allerdings ist das Thema so sensibel, dass zunächst nur länderübergreifend "Handlungsempfehlungen" erarbeitet werden sollen.

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