Nordmazedonien:Tsipras' Preis für eine historische Versöhnung

Swearing-in ceremony of newly appointed Greek Defence Minister Evangelos Apostolakis, in Athens

Tsipras will das Prespa-Abkommen, wie der Deal nach dem Ort der Unterzeichnung heißt, noch durchs Parlament bringen.

(Foto: REUTERS)

Athen hat den Namensstreit mit Mazedonien beigelegt - und ist in eine Regierungskrise gestürzt. Es wäre ein grandioser Fehler, wenn der Deal deshalb noch scheitert.

Kommentar von Christiane Schlötzer, Athen

Ein kleines Balkanland bekommt einen neuen Namen, der sich nicht groß von seinem alten unterscheidet, und doch beginnt mit diesem Ereignis eine neue Epoche - mit gut einem Vierteljahrhundert Verspätung. Als der Eiserne Vorhang fiel, da löste die Wucht der Veränderung auf dem Balkan eine Serie von Kriegen aus. Die frühere jugoslawische Teilrepublik Mazedonien verabschiedete sich zwar gewaltfrei aus dem alten Bund, aber sie hatte ein Identitätsproblem. Nationalistische Scharfmacher zeichneten Karten, auf denen reichte ihr Land bis zur Ägäis. Das befeuerte in Griechenland ohnehin vorhandene Ängste vor Gebietsansprüchen auf die eigene Region Makedonien. Statt eine Verständigung zu suchen, nutzten Nationalisten beidseits der Grenze den Konflikt für innenpolitischen Gewinn - bis zwei Regierungschefs einer neuen Generation, der Sozialdemokrat Zoran Zaev in Skopje und der Linkspolitiker Alexis Tsipras in Athen, es wagten, den gordischen Knoten zu durchschlagen.

Mazedonien soll künftig Nordmazedonien heißen, die Verfassungsänderung hat nach langem Ringen am Freitagabend das Parlament in Skopje passiert. Schulbücher sollen von nationalistischem Überschwang gereinigt werden, gute nachbarliche Beziehungen wachsen. Das soll dem Land mit dem neuen Namen die Türen von Nato und EU öffnen, womit das Abkommen seine ganze Dimension zeigt. Denn auf dem Balkan ist zuletzt der alte Ost-West-Konflikt mit neuer Maske wiederauferstanden. Mazedonien gehört zu den Ländern, in denen Russlands Präsident Wladimir Putin massiv nach Einfluss strebte, wie in Serbien und in Montenegro. Auch deshalb war der Namenswechsel so umkämpft.

Die Geschichte sollte "eine Schule sein und kein Gefängnis", hat Nikos Kotzias, bis vor Kurzem griechischer Außenminister und einer der Architekten des Namensabkommens, gesagt. Ein kluger Satz. Kotzias hat seinen Einsatz mit dem Verlust seines Ministerstuhls bezahlt. Denn in Griechenland ist das Abkommen nach wie vor so umstritten, dass Tsipras zuletzt seinen Außenminister opferte, um seinen rechten Koalitionspartner bei der Stange zu halten. Es war verlorene Liebesmüh.

Die Ehe wider alle Vernunft zwischen der Linkspartei Syriza und den rechtspopulistischen "Unabhängigen Griechen" ist nach vier Jahren zu Ende. Verteidigungsminister Panos Kammenos, ein Raubauz der griechischen Politik, reichte am Sonntag in Athen die Scheidung ein.

Damit könnte auch Tsipras einen hohen Preis für seinen Mut zahlen, den überständigen Namensstreit mit den Nachbarn zu beenden. Vorgezogene Neuwahlen würde Tsipras nach jetzigem Stand nicht gewinnen. Er will das Prespa-Abkommen, wie der Deal nach dem Ort der Unterzeichnung heißt, aber noch durchs Parlament bringen - nach einer Vertrauensabstimmung über seine Regierung an diesem Mittwoch. Für beides hat sich der Premier hinter den Kulissen wohl bereits eine hauchdünne Mehrheit gesichert. Andernfalls, so hat Tsipras schon gewarnt, werde sein Land international zur Lachnummer. Da dürfte er recht haben.

Scheitert der Deal, scheitert ein wichtiges Versöhnungswerk, es wäre ein grandioser Fehler. Diese Bürde müsste dann auch die große konservative griechische Oppositionspartei Nea Dimokratia tragen, die lieber die nächsten Wahlen gewinnen will, als Tsipras die Hand für einen historischen Kompromiss zu reichen.

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