Golfstaaten:Hilfe von den Scheichs

Die Militärmachthaber im Sudan bekommen Unterstüzung aus den Golfstaaten. Deren Kalkül: Lieber stabil als demokratisch.

Von Anna Reuß

Als er im April vom Militär verhaftet wurde, war dies das Ende von Omar al-Baschirs Diktatur. Was im Dezember 2018 als spontane Protestaktion begann, weitete sich schnell in organisierte Demonstrationen im ganzen Land aus: Die Sudanesen wollten die Demokratie. Doch zur Revolution des Volkes kam es nicht. Die Junta hat die Macht an sich gerissen und ist gerade dabei, eine neue Militärdiktatur zu installieren. Hilfe bekommt der Militärrat aus Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), jenen Golfstaaten, die schon in Sudans Nachbarstaat Ägypten den damaligen Militärführer und heutigen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi unterstützten, nachdem der erste demokratisch gewählte Präsident, der Islamist Mohamed Mursi, 2013 gestürzt worden war.

Es ist keine neue Entwicklung, dass die Golfstaaten ihre Vormachtsstellung nutzen

Es sei völlig legitim für arabische Staaten, einen geordneten Übergang im Sudan zu unterstützen, "der die Erwartungen der Bevölkerung mit institutioneller Stabilität sorgfältig in Einklang bringt", schreibt der Staatsminister für Auswärtige Angelegenheiten der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Anwar Gargash, bei Twitter. "Wir haben in der Region ein totales Chaos erlebt und brauchen deshalb nicht noch mehr davon", fügt er hinzu. Gargashs Botschaft bringt auf den Punkt, nach welcher Direktive die Außenpolitik der VAE und ihrer arabischen Verbündeten seit Jahren funktioniert: Regimestabilität autoritärer Systeme dient der Selbsterhaltung, Demokratie kann hingegen zum Chaos führen.

Seit den 1990er-Jahren haben kleine Staaten mehr Möglichkeiten, ihren globalen Einfluss zu stärken: Der Zusammenhang zwischen Größe und Macht ist teilweise erodiert. Dies gilt insbesondere für jene Staaten, die von einem hohen Ölpreis profitierten. Dass die Golfstaaten ihre regionale Vormachtstellung vorantreiben und ihre geopolitische Führung behaupten, beschrieb Abdulkhaleq Abdulla, Politikwissenschaftler aus den VAE, bereits 2010 als "Gulfanization of Arab Politics". Insbesondere seit dem sogenannten Arabischen Frühling folgen die VAE und Saudi-Arabien dem Paradigma, autoritäre Systeme zu stärken, was unweigerlich die Unterstützung arabischer Militärführer bedeutet.

Saudi-Arabien und die VAE sind nicht nur bestrebt, dem Aufstieg des politischen Islam in der Region entgegenzuwirken. Beide Königreiche verbindet zudem die Auffassung, der Einfluss des kleinen Golfemirats Katar und der Türkei müsse unbedingt zurückgedrängt werden. Noch im Januar 2019 reiste der damalige sudanesische Präsident al-Baschir etwa in Katars Hauptstadt Doha, als die Demonstranten im Sudan nicht mehr nur gegen steigende Brotpreise auf die Straße gingen, sondern zu Tausenden seinen Rücktritt forderten. 2017 unterzeichneten die Türkei und der Sudan Verträge über die Entwicklung der Insel Suakin am Roten Meer und vereinbarten die Errichtung einer türkischen Marineanlage.

Allerdings wird nicht nur ein regionaler Konflikt innerhalb des Golfkooperationsrates am Horn von Afrika ausgetragen: Aufgrund der Handelsrouten sind die Staaten am Roten Meer auch von strategischer Bedeutung. "Die Briten, Ägypter, Ottomanen und Perser haben schon vor hundert Jahren um den Sudan gestritten", sagt Murithi Mutiga, Experte des Thinktanks International Crisis Group. Auch das Interesse der Golfstaaten am Sudan wurde nicht erst durch die Proteste gegen al-Baschir geweckt: Von der arabischen Halbinsel aus gesehen, ist das Horn von Afrika das Eintrittstor zum Rest des afrikanischen Kontinents. Zudem fließt der Nil durch den Sudan, bevor er in Ägypten in das Mittelmeer mündet. Vor allem aber gibt es keine treibende Regionalmacht. Es sei "zunehmend problematisch", dass die Golfstaaten das Mächte-Ungleichgewicht in der Region ausnutzten. Dieses überregionale Engagement ist beispielsweise in Somalia oder Eritrea zu beobachten, wo Militärbasen im Gegenzug für Unterstützung im Jemenkrieg vereinbart wurden.

Seit 2016 ist auch der Sudan Teil der Militärkoalition im Jemenkrieg. Vor allem wurde in Riad und Abu Dhabi nicht vergessen, dass der neue starke Mann im Sudan, Mohamed Hamdan Dagalo, allgemein bekannt als Hemeti, die Koalition mit seinen paramilitärischen Truppen unterstützt hat. Saudi-Arabien und die VAE zeigen sich erkenntlich und haben nach dem Sturz al-Baschirs im April knapp 3,5 Milliarden Dollar Hilfen zugesagt. Ende Mai traf Abdel Fattah al-Burhan, der Chef des sudanesischen Militärrates, den Kronprinzen von Abu Dhabi, Mohamed bin Zayed al-Nahyan. Anschließend reiste er nach Ägypten und traf Präsident al-Sisi; sein Stellvertreter Hemeti besuchte Saudi-Arabien. Der Außenminister Bahrains war zudem der erste hochrangige arabische Gesandte, der nach dem Sturz des Diktators al-Baschir nach Khartum kam.

Beim Volk kommt der Interventionismus der Golfstaaten am Horn von Afrika allerdings nicht gut an. Mehrere Medien berichteten von einem Sprechchor der prodemokratischen Demonstranten vor dem Armeehauptquartier in Khartum: "Wir wollen keine saudische Hilfe, auch wenn wir Bohnen und Falafel essen müssen."

Ein US-Diplomat sprach vom "brutalen Vorgehen" der Militärs. Von den UN kommt nichts

Internationale Akteure wie die UN schaffen es nicht, das Vorgehen der sudanesischen Militärs einstimmig zu verurteilen. China und Russland blockierten vergangene Woche ein Gesuch des UN-Sicherheitsrates, die Tötung von Zivilisten zu verurteilen und einen Aufruf der Weltmächte für ein sofortiges Ende der Gewalt zu formulieren. Auch die USA halten sich bislang eher zurück. Dass der ranghöchste US-Diplomat im Auswärtigen Dienst in den vergangenen Tagen mit dem saudischen Vize-Verteidigungsminister und Bruder des Kronprinzen über das "brutale Vorgehen gegen friedliche Demonstranten durch den sudanesischen Übergangs-Militärrat am 3. Juni" sprach, wie es in einer Erklärung heißt, sei jedoch "ermutigend", meint Mutiga, der Regionalexperte der International Crisis Group: "Die USA sollten ihren Einfluss auf Riad und Abu Dhabi nutzen und sie von einem Kurswechsel überzeugen." Sonst drohe der Sudan, zum Spielball der Regionalmächte der arabischen Halbinsel zu werden.

Experten setzen nun Hoffnung in die Afrikanische Union (AU). Der Zusammenschluss der afrikanischen Staaten setzte in der vergangenen Woche die Mitgliedschaft des Sudan aus, nachdem am Montag die gewaltsame Auflösung eines Protestlagers in der Hauptstadt Khartum begonnen hatte.

Die Organisation muss nun ihren Einfluss unter Beweis stellen. Im Friedens- und Sicherheitsrat der AU ist etwa Algerien Mitglied, wo Anfang des Jahres ebenfalls ein Kleptokrat vom jungen Volk gestürzt wurde. Außerdem hat Ägypten in diesem Jahr den Vorsitz der Union übernommen. Kairo hat jedoch bislang seine neue Position als Spitze der Organisation genutzt, um die Machtposition des Militärrates in Khartum zu stärken und ihn vor Sanktionen zu bewahren. Medienberichten zufolge soll Ägypten zudem versucht haben, andere AU-Mitgliedsstaaten davon zu überzeugen, den Sudan nicht zu suspendieren. Innerhalb der AU gebe es Widersprüche, sagt Mutiga. Es sei deshalb wichtig, dass die afrikanischen Staaten jetzt "geeint und mit einem gemeinsamen Standpunkt" auftreten. Allerdings werde die AU im Gegensatz zu anderen internationalen Akteuren nicht als "kolonial" wahrgenommen. Die AU habe daher eine echte Chance, die Militärs im Sudan von einer zivilen Übergangsregierung zu überzeugen.

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