Gefängnis: Privatisierung:Hinter Gittern ist ein Traum geplatzt

Privates Gefängnis teurer als Staatsknast: Im Jahr 2007 kostete ein Haftplatz in der teilprivatisierten JVA Hünfeld mehr als in der vergleichbaren staatlichen Einrichtung in Darmstadt. Damit erscheint der hessische Sonderweg im Strafvollzug zweifelhaft.

Christoph Hickmann

Es konnten der Superlative gar nicht genug sein im Dezember 2005. Ab sofort stehe "dem hessischen Strafvollzug in Hünfeld eine der modernsten, wirtschaftlichsten und sichersten Justizvollzugsanstalten Deutschlands zur Verfügung", jubelten der hessische Ministerpräsident Roland Koch und sein gerade erst berufener Justizminister Jürgen Banzer (beide CDU).

hünfeld wagner dpa

Hatte gut lachen: Christean Wagner, damals hessischer Justizminister, übergibt im November 2005 nach der Teilprivatisierung in der Justizvollzugsanstalt Hünfeld das Eingangsschild.

(Foto: Foto: dpa)

Anlass war die Einweihung des ersten teilprivatisierten Gefängnisses der Republik; Koch und Banzers Amtsvorgänger Christean Wagner hatten das Projekt gegen den Widerstand von Opposition, Gewerkschaften und Strafvollzugsexperten vorangetrieben.

Der Strafvollzug, bislang eine der hoheitlichen Kernaufgaben schlechthin, sollte nicht mehr allein Sache des Staates sein. Stattdessen übernahm das auf die Übernahme öffentlicher Dienstleistungen spezialisierte Unternehmen Serco unter anderem Organisation und Betrieb der Werkstätten, die medizinische Versorgung der Gefangenen sowie deren Weiterbildung. Der hessische Weg habe "Vorbildcharakter weit über die Landesgrenzen hinaus", so Koch und Banzer.

Ihr immer wiederkehrendes Hauptargument für den radikalen Schritt: Das Land spare so 15 Prozent der Betriebskosten, etwa 660.000 Euro im Jahr. Die Qualität des Strafvollzugs leide darunter nicht, sondern werde verbessert - schließlich gebe es "ein erhebliches Mehrangebot von Gefangenenarbeitsplätzen".

Mehr als zwei Jahre nach der Eröffnung aber sind Zweifel angebracht, ob die Rechnung aufgeht: Nach einer Aufstellung aus dem hessischen Justizministerium ist ein Haftplatz in Hünfeld teurer als in der staatlichen JVA Darmstadt. Demnach kostete es im Jahr 2007 pro Tag 79,28 Euro, einen Gefangenen in Darmstadt unterzubringen - während es in Hünfeld 83,18 Euro waren. Legt man die Zahl von 500 Gefangenen in Hünfeld zugrunde, ergäben sich aufs Jahr hochgerechnet Mehrkosten von etwa 700.000 Euro.

Bei Serco hat man das Problem offenbar erkannt. Man werde "die Ergebnisse analysieren und schauen, was man verbessern kann", sagt ein Sprecher. Der Vergleich mit der JVA Darmstadt hinke zwar ein wenig, da durch ihn nicht klar werde, was es kosten würde, die JVA Hünfeld staatlich zu betreiben - doch auch der Serco-Sprecher räumt ein, dass die JVA Darmstadt mit der Anstalt in Hünfeld grundsätzlich vergleichbar ist.

Abschließende Ergebnisse erst 2009

Im Justizministerium erklärt man die Differenz mit Abschreibungen, "die in einer neu gebauten Anstalt wesentlich höher ausfallen als bei alter Bausubstanz". Allerdings hatte die Landesregierung stets auch die geringen Baukosten als Argument für das Hünfelder Modell angeführt. Und ein Jahr nach der Eröffnung verkündete Banzer: "Die Tendenz wird sich verstärken, dass in der JVA Hünfeld mit weniger Mitteln ein Vollzug von hoher Qualität gewährleistet wird."

Heute heißt es im Ministerium, die wissenschaftliche Begleitforschung durch die Fachhochschule Fulda werde erst 2009 abschließende Ergebnisse liefern. Und schließlich müsse man berücksichtigen, dass in der JVA Darmstadt eine äußerst rentable Druckerei betrieben werde, die zu den niedrigen Kosten pro Haftplatz beitrage. Das Verblüffende an dieser Argumentation: Die Befürworter der Teilprivatisierung hatten stets die hohe Beschäftigungsquote der Gefangenen in Hünfeld betont und auf die Wirtschaftlichkeit des Betriebs verwiesen.

Als Beleg dafür, dass Hünfeld "im Gesamtvergleich außerordentlich günstig dasteht", nennt das Ministerium neben dem hessischen Durchschnittswert von 96,70 pro Tag und Haftplatz für 2007 unter anderem die Gefängnisse in Butzbach und Schwalmstadt, in denen ein Haftplatz pro Tag jeweils mehr als 100 Euro kostet. Bei diesen Gefängnissen aber handelt es sich um Anstalten der Sicherheitsstufe 1. Dort sitzen Gefangene, die im Allgemeinen wegen deutlich schwerwiegenderer Vergehen verurteilt wurden als jene in Hünfeld oder auch Darmstadt - weswegen etwa deutlich mehr Sicherheitsvorkehrungen notwendig sind.

"Der Traum ist geplatzt"

Die Opposition im Landtag sieht die Zahlen dementsprechend in einem anderen Licht. Von einem "Skandal" spricht die SPD-Justizpolitikerin Nancy Faeser: "Der Traum von Hünfeld ist geplatzt, das Konzept der Teilprivatisierung ist in Hessen gescheitert." Dies sei "die Bestätigung für unsere Position, dass Private qualitativ hochwertigen Strafvollzug mit dem Schwerpunkt auf Resozialisierung eben nicht günstiger anbieten können".

Auch Anton Bachl, Vorsitzender des Bundes der Strafvollzugsbediensteten, sieht sich bestätigt: "Wir haben von Anfang an gesagt, dass ein vernünftiger Resozialisierungsvollzug nun einmal nicht zum Nulltarif zu haben ist".

Faeser warnt zudem davor, dem Beispiel Hessens zu folgen: "Ich kann dem Land Baden-Württemberg nur empfehlen, sorgfältig zu rechnen, ob sich eine Teilprivatisierung tatsächlich lohnt." Dort soll Mitte 2009 in Offenburg ein Gefängnis eröffnet werden, dessen Betrieb ebenfalls teilweise von einem privaten Unternehmen übernommen wird. Das Land rechnet über fünf Jahre mit einer Ersparnis von knapp einer Million Euro. In Sachsen-Anhalt und Niedersachsen sind ähnliche Projekte geplant.

Justizministerium und Serco wollen in Hünfeld nun überdies die Zahl der Mitarbeiter etwa in der Krankenpflege und im psychologischen Dienst verringern. Aktuell laufen die Verhandlungen, die das Ministerium zwar als "Gespräche über eine Qualitätsoptimierung" bestätigt, zu denen es aber "keine Stellungnahme" abgeben will - sie seien noch nicht abgeschlossen. Offen bleibt damit die Frage, wer die Arbeit der Betreuer übernehmen soll. Bei Serco heißt es nur: "Das Aufgabenspektrum, das Serco erfüllen soll, wird reduziert."

Mit der Wirtschaftlichkeit habe das nichts zu tun - vielmehr habe man nach zwei Jahren festgestellt, dass man mit weniger Mitarbeitern auskomme.

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