Frankreich:Macron lässt sein Kabinett vor dem Antritt durchleuchten

Frankreich: Erste Termine auch ohne Kabinett: Emmanuel Macron (Mitte) posiert mit Mitgliedern des Internationalen Olympischen Komitees vor dem Élysée-Palast.

Erste Termine auch ohne Kabinett: Emmanuel Macron (Mitte) posiert mit Mitgliedern des Internationalen Olympischen Komitees vor dem Élysée-Palast.

(Foto: Stephane de Sakutin/AFP)
  • Frankreichs neuer Präsident Macron will den schlechten Ruf französischer Politiker mit gründlichen Kontrollen beikommen.
  • Vor der Bildung seiner neuen Regierung lässt er sein ganzes Kabinett auf Steuerhinterziehung oder Interessenkonflikte durchleuchten.
  • Mit der Besetzung des Kabinetts will Macron Gräben überwinden: Es soll mit gleich vielen Frauen und Männern besetzt werden, die aus unterschiedlichen Parteien kommen.

Von Christian Wernicke, Paris

Neuer Chef, neue Sitten: Überraschend hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Dienstag die Bildung seiner ersten Regierung um einen Tag verschoben. Macron wollte zunächst bei allen potenziellen Minister vor ihrer Ernennung überprüfen lassen, ob sie ihre Steuern korrekt gezahlt oder irgendwelchen Interessenkonflikten ausgeliefert sind.

Macron und sein am Montag eingesetzter Premierminister Édouard Philippe reagieren damit auf das miserable Image von Frankreichs politischer Klasse: In Umfragen erklären zwei Drittel der Franzosen, sie hielten ihre Politiker für korrupt. Auch der jüngste Präsidentschaftswahlkampf war von Skandalen etwa um die Beratertätigkeit des republikanischen Bewerbers François Fillon und die Scheinbeschäftigung seiner Ehefrau überschattet worden.

Bis zum Mittwoch sollen nun die oberste Steuerbehörde und eine 2013 geschaffene "Transparenz-Behörde" alle Ministerkandidaten durchleuchten. Zudem müssen sämtliche Aspiranten eine Ehrenerklärung unterschreiben, in der sie versichern, in keinerlei "Aktivitäten im Widerspruch zu den Gesetzen oder des Anstands" verwickelt zu sein.

Macrons Vorgänger François Hollande hatte 2012 erleben müssen, wie ein Skandal um massive Steuerhinterziehungen ausgerechnet des damaligen Budgetministers Jérôme Cahuzac das Image der gesamten Regierung ruinierte. Pikant an der nun verfügten Überprüfung ist, dass Premier Philippe 2014 von der Transparenz-Behörde gerügt worden war: Als republikanischer Abgeordneter der Nationalversammlung hatte er auf einem Fragebogen zum Wert seines Immobilienbesitzes flapsig geschrieben: "Keine Ahnung".

Macron will ein ausgewogen besetztes Kabinett - ein Balanceakt

Macron und Philippe stehen vor der Herausforderung, eine maximal 15- bis 16-köpfige Ministerriege in dreifacher Hinsicht auszutarieren. Als Kandidat hatte Macron gesagt, er wolle ein Gleichgewicht zwischen neuen und bereits erfahrenen Köpfen. Zweitens versprach er eine Parität zwischen Frauen und Männern. Zudem sucht er eine Balance zwischen rechts und links: Neben gemäßigten Sozialisten wie dem bisherigen Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian oder dem PS-Abgeordneten Richard Ferrand dürften dem neuen Kabinett auch Zentristen wie François Bayrou und die liberale Europaabgeordnete Sylvie Goulard angehören.

Ob neben Premier Philippe noch andere gemäßigte Konservative in der Regierung sitzen werden, blieb am Dienstag offen. Mehr als 20 moderate Republikaner - darunter der Abgeordnete Benoist Apparu, die Senatorin Fabienne Keller oder die Bürgermeister von Nizza und Toulouse, Christian Estrosi und Jean-Luc Moudenc - hatten auf die Ernennung ihres Parteifreundes Philippe mit einem Appell an ihre Partei reagiert, "die ausgestreckte Hand des Präsidenten zu ergreifen" und Macron im Parlament zu stützen.

Die republikanische Parteiführung verfolgt hingegen das Ziel, bei den Parlamentswahlen im Juni eine rechte Mehrheit gegen den Präsidenten Macron zu erringen und ihm einen konservativeren Premierminister aus den ihren Reihen aufzuzwingen.

Macrons strategisches Ziel wiederum ist es, die Republikaner zu schwächen und in der Nationalversammlung über eine Mehrheit seiner künftigen Partei La République en Marche (LRM) zu verfügen. In Wahlkreisen von Kandidaten anderer Parteien, die mit dem Präsidenten kooperieren wollen, stellt LRM deshalb keine eigenen Bewerber auf.

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