Flüchtlingsstreit:Panne bei den Liberalen, Aufatmen bei den Christdemokraten

Bundestag

Innenminister Horst Seehofer (CSU) am Freitag im Bundestag.

(Foto: dpa)
  • Die Lage in der Union ist immer noch angespannt, da es im Flüchtlingsstreit bislang keine Lösung gibt.
  • CDU-Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer versucht in einem Brief, Merkels Truppen zu sammeln. CSU-Chef Seehofer reagiert empört.
  • Die FDP will alle zur Abstimmung über das Streitthema bringen. Ihr Antrag zur Zurückweisung von Flüchtlingen an der Grenze scheitert jedoch kläglich.

Von Stefan Braun und Constanze von Bullion, Berlin

Immerhin, nach dem ganzen Getöse und den großen Sorgen hat die Unionsfraktion am Freitag so etwas wie Glück erleben dürfen. Während tags zuvor der Streit um die Flüchtlingspolitik in beispielloser Weise eskaliert war, führte ausgerechnet dieses Thema CDU und CSU 24 Stunden später wieder zusammen.

Das klingt zwar absurd, passiert ist es trotzdem. Und das haben die Schwesterparteien der FDP zu verdanken. Die nämlich hatte es für schlau gehalten, angesichts des harten Konflikts bei der Union alle Fraktionen am Freitag zu einer Abstimmung über das Streitthema zu zwingen. So hängten die Liberalen an die zweite und dritte Lesung der Neuregelung zum Familiennachzug einen Antrag zur Zurückweisung an der Grenze dran, über den ebenfalls abgestimmt werden musste.

Und was passierte? Obwohl in der Unionsfraktion die Sorge umging, ihre Zerrissenheit könnte erneut offen zutage treten, endete das Votum mit einem Reinfall für die FDP - und einem Moment der Entspannung für die Schwesterparteien. Der Antrag erhielt nur 73 Ja-Stimmen. Das sind weniger Stimmen, als die FDP Abgeordnete stellt. Das bedeutet: Nicht mal jeder Liberale hatte für den Antrag die Hand gehoben. Panne bei den Liberalen, Aufatmen bei den Christdemokraten.

Ansonsten hat der Freitag die Gesamtlage nicht verändert. Als wie bedrohlich die CDU-Spitze die Situation einordnet, hatte Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer schon am Donnerstagabend in einer Mail an alle Mitglieder unterstrichen. "Ich wende mich heute in einer ernsten Lage an Sie", schreibt Kramp-Karrenbauer gleich zur Begrüßung. Solche Schreiben gibt es selten von der CDU-Spitze an die eigene Basis.

Die Generalsekretärin begründete noch einmal die Linie der Kanzlerin und Parteichefin. Angela Merkel lehne die von der CSU geforderte Zurückweisung an der Grenze ab. Einzige Ausnahme: Flüchtlinge, die in einem anderen EU-Staat ein Asylverfahren voll durchlaufen haben und abgelehnt wurden. Seehofer und seine CSU wollen deutlich weiter gehen. Deshalb schreibt Kramp-Karrenbauer: "Wir als CDU haben die Sorge, dass ungeordnete Zurückweisungen an unseren Grenzen, als Land im Herzen Europas, nicht der richtige Weg sind." Eine solche Maßnahme, die ohne Absprache mit den Nachbarstaaten und zu Lasten Dritter vollzogen würde, "birgt die Gefahr, Europa weiter zu spalten und zu schwächen".

Der Brief bringt keine Sensationen. Aber durch ihn wird klar, dass Kramp-Karrenbauer im Namen der CDU Erklärungsbedarf spürte, den sie schnell befriedigen wollte. Und der gewählte Zeitpunkt des Schreibens machte deutlich, dass die CDU nicht bereit ist, mal eben klein beizugeben. Ihr sei bewusst, dass viele die Diskussion nur schwer nachvollziehen könnten, schreibt die CDU-Generalsekretärin. Das aber solle und werde nichts daran ändern, dass "die CDU von Konrad Adenauer über Helmut Kohl bis Angela Merkel immer die Partei der Sicherheit und des europäischen Zusammenhalts war".

Bei der CSU ist die Mail nicht lange unbemerkt geblieben. Und sie ist nicht als sanfte Erläuterung der Lage empfunden worden. Im Gegenteil erklärte Horst Seehofer am Freitagmittag, Kramp-Karrenbauer stelle die CSU "als Provinzfürsten aus Bayern hin, die die europäische Idee nicht verstanden haben". Dabei verschweige sie aber, dass es ihre eigene Partei gewesen sei, "die mit der Flüchtlingsentscheidung 2015 die Spaltung Europas herbeigeführt hat", sagte Seehofer der SZ.

Die Reaktion zeigt, wie angespannt die Lage ist. Kramp-Karrenbauer warnt vor einem nationalen Alleingang, wirbt für eine europäische Lösung, fürchtet eine politische Spaltung - und trotzdem haut Seehofer zurück, als ob ihm die Argumente persönlich gefährlich werden könnten.

Wie es nun weitergeht? Das konnte am Freitag niemand sagen. Alle warten auf die CSU-Gremien am Montag - der nächste Akt in diesem Drama.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: