Flüchtlinge:Deutschland schiebt so viel in andere EU-Staaten ab wie nie zuvor

Flüchtlinge: Abgelehnte Asylbewerber steigen 2015 in Rheinmünster (Baden-Württemberg) in ein Flugzeug.

Asylsuchende besteigen ein Flugzeug (Archivbild): Im vergangenen Jahr wurden mehr Flüchtlinge in andere EU-Staaten überstellt als je zuvor.

(Foto: Patrick Seeger/dpa)
  • Von Januar bis Ende November 2018 wurden 8658 ausreisepflichtige Asylsuchende in andere EU-Staaten abgeschoben.
  • Das waren bereits deutlich mehr als im gesamten Jahr davor.
  • Das Dublin-System galt bislang stets als unausgewogen und schwer durchsetzbar.

Von Jan Bielicki

Deutsche Behörden haben im vergangenen Jahr so viele Flüchtlinge in andere Staaten der Europäischen Union überstellt wie nie zuvor. Von Januar bis Ende November 2018 wurden 8658 ausreisepflichtige Asylsuchende in andere EU-Staaten abgeschoben - das waren bereits deutlich mehr als im gesamten Jahr davor, als es lediglich 7102 solcher Überstellungen gab. Das geht aus Zahlen hervor, mit denen das Bundesinnenministerium eine Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke beantwortete. Sie liegen der Süddeutschen Zeitung vor.

Demnach ging es 2018 in jedem dritten Asylverfahren des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) um einen sogenannten Dublin-Fall - also darum, ob ein anderer EU-Staat für ein Asylgesuch zuständig ist. Nach der Dublin-III-Verordnung der EU soll in der Regel der Mitgliedstaat um einen Flüchtling kümmern, in dem dieser nach seiner Ankunft in Europa zuerst registriert wurde. Dieses System gilt jedoch als unausgewogen und nur schwer durchsetzbar.

So hat das Bamf in den ersten elf Monaten des Jahres 2018 insgesamt 51 558 Mal andere EU-Staaten um Übernahme von nach Deutschland geflohenen Menschen ersucht, in 35 375 Fällen stimmten die angefragten Staaten zu. Gegenüber den Vorjahren ist damit die Quote tatsächlich überstellter Flüchtlinge stark auf 24,5 Prozent gestiegen, 2017 lag sie noch bei 15,1 Prozent. Dabei gab es nach Ungarn gar keine und nach Griechenland nur fünf Überstellungen. In beiden Ländern gilt der Umgang mit Flüchtlingen als oft nicht menschenrechtskonform, Athen lehnt zudem die allermeisten Übernahme-Ersuchen ab, aus "überwiegend nicht stichhaltigen" Gründen, klagt die Bundesregierung. Aber auch Überstellungen nach Bulgarien werden in zwei von drei angestrengten Eilverfahren gerichtlich verhindert. Hauptzielland der innereuropäischen Abschiebungen war Italien: Dorthin wurde fast jeder dritte Überstellte gebracht. In der Gegenrichtung kam fast die Hälfte der 7205 aus anderen EU-Staaten in die Bundesrepublik überstellten Flüchtlinge aus Griechenland.

Dass diese Zahlen auf eine gestiegene Effizienz des Dublin-Systems hindeuten, hält die Abgeordnete Jelpke allerdings für "keine gute Nachricht". Der Versuch, "dieses ungerechte System mit aller Gewalt in der Praxis umzusetzen", sei "schlicht inhuman", kritisiert sie.

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