FDP stimmt über Euro-Rettung ab:Ein Verlierer steht schon fest

Euro-Rebell Schäffler und FDP-Finanzpolitiker Wissing streiten vor FDP-Mitgliedern über den richtigen Weg aus der Krise. Dabei geht es beim Mitgliederentscheid längst nicht mehr nur um den Euro. Es geht auch um die Zukunft der FDP, die vor einer kaum lösbaren Aufgabe steht.

Thorsten Denkler, Berlin

Es ist mucksmäuschenstill im Sitzungssaal der FDP-Bundestagsfraktion. Dabei sind mehr als 100 Menschen gekommen. Viel mehr, als manche erwartet haben. Aber kein Räuspern, kein Hüsteln stört bei dem, was Euro-Rebell Frank Schäffler und sein Kombattant Volker Wissing, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion, zu sagen haben.

FDP-Finanzexperte wehrt sich gegen Anti-Euro-Etikett

Sie debattierten über den Mitgliederentscheid der FDP zum Euro-Rettungsschirm: Der Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler (l.) und Volker Wissing.

(Foto: dapd/dpa)

Es soll ein Info-Abend zum vielbeachteten Mitgliederentscheid sein, der am Vormittag mit dem Versand der Wahlunterlagen an die derzeit 64.000 Parteimitglieder eingeleitet worden war. Schäffler hat den Entscheid, den ersten dieser Art in der FDP, initiiert. Der 42-Jährige stellt sich damit gegen die Rettungspolitik seiner Fraktion und seiner Regierung. Er protestiert gegen die europaweite Politik, "Schulden mit immer mehr Schulden zu bekämpfen", wie er das nennt.

Ob er sich damit auch gegen die Partei stellt, das will er jetzt herausfinden. Gewinnt er, dann müsste die FDP demnächst im Bundestag gegen den Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM stimmen, gegen den dauerhaften Euro-Rettungsschirm also. Unwahrscheinlich, dass die Partei das politisch überleben würde. Zumindest nicht in der Regierung. Schwarz-Gelb wäre wohl Geschichte.

Der FDP-Parteivorstand stemmt sich gegen dieses Szenario. Ein Gegenantrag ist formuliert, der viele Argumente Schäfflers aufgreift, aber zu anderen Schlüssen kommt. Dass nämlich kein Weg daran vorbeiführe, die aus Geld angehäuften Schutzwälle rund um Griechenland zur Not bis in den Himmel wachsen zu lassen, um das Land vor dem Staatsbankrott zu bewahren.

Volker Wissing verteidigt an diesem Montagabend im Reichstag den Vorstandsbeschluss seiner Partei. Er wird es nicht leicht haben. Aber das dürfte ihm schon vorher klar gewesen sein.

Gekommen sind zumeist FDP-Mitglieder aus Berlin. Es sind Menschen, die Fragen haben. Oder schon gefestigte Positionen. Oder auch gar nichts von beidem. Menschen jedenfalls, die wissen wollen, wie diese Krise ausgehen könnte. Oder wie sie zumindest so ausgehen könnte, dass nicht ihr Erspartes, ihre Rücklagen fürs Alter oder die ihrer Kinder und Enkel in Gefahr geraten.

Beide, Schäffler und Wissing, wollen im Grund genau das: Die Renten sollen sicher bleiben, die Spareinlagen auch, die Lebensversicherungen sowieso. Nur werfen sie dem jeweils anderen vor, in vollkommen unverantwortlicher Weise das höhere Risiko einzugehen.

"Uns fliegt alles um die Ohren"

Schäfflers Position: radikaler Schuldenschnitt und gerne auch neue Kredite für Griechenland. Im Gegenzug aber tritt Griechenland aus dem Euro aus und führt die Drachme wieder ein. Ein 50-Prozent-Schuldenschnitt - wie jetzt auf dem Euro-Gipfel vereinbart - ohne Geldabwertung, das geht nicht, sagt er. Die Regierungen müssten - wie er - anerkennen, dass Griechenland niemals in der Lage sein werde, seine Schulden zurückzubezahlen.

Geschieht das nicht, "dann fahren wir den Karren vor die Wand" und "uns fliegt alles um die Ohren". Wird aber sein Plan umgesetzt, dann seien sicher auch einige Sparguthaben dahin. Aber bei dem Kurs, den die Bundesregierung und die Euro-Länder derzeit führen, gehe es um die "Enteignung von Sparvermögen von uns allen". Dann würde das gesamte Sparvermögen "zerstört". Schäffler bekommt viel Applaus im Saal. Viel mehr als Wissing.

Der hat auch den härteren Job. Er muss verteidigen, was zwar Linie der Parteiführung ist, aber zugleich fast allen marktwirtschaftlichen Grundüberzeugungen der FDP widerspricht. Eine lautet: Wer es nicht alleine schafft, der muss eben in die Insolvenz. Er wisse, sagt Wissing, das solche Sätze Begeisterung bei Liberalen auslösten. Aber es gebe einen Unterschied, ob ein Unternehmen pleitegeht, oder eben ganze Staaten.

Kampf gegen die Katastrophe

Wissing nutzt wie Schäffler Vokabeln, mit denen sonst Horrorszenarien beschrieben werden. Es sei eine "Katastrophe", wenn Deutschland sich auf einen Kurs der Isolation begebe. Den anderen sei jetzt schon nur schwer zu vermitteln, dass Deutschland nicht die Gelddruckmaschinen anwerfen wolle. In dieser Krise aber brauche Deutschland Partner wie Frankreich. Über diese Krise könne Deutschland "nie national alleine entscheiden".

Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern

Viel Klärungsbedarf bei den Liberalen: Die FDP lässt ihre Mitglieder über den Euro-Rettungsschirm abstimmen.

(Foto: dapd)

Es klingt beschwörend, als er sagt: "Wir entscheiden über den weiteren historischen Verlauf Europas."

Dabei müsse gerade die FDP eine "Isolation Deutschlands verhindern". Zweimal in der Geschichte habe sich Deutschland isoliert und beide Male sei das in einer "menschlichen Tragödie und in einer ökonomischen Katastrophe" geendet. Wissing beschwört: "Die Lösung kann nicht lauten: Wir stehen vom Verhandlungstisch auf."

Zerstörung, Katastrophe. Die Apokalypse scheint nahe. Und sie kommt offenbar immer näher - und zwar dann, wenn der Weg des anderen beschritten wird. Die Fragen der Zuschauer im Saal geraten da zu Stichwort-Steinbrüchen, aus denen sich die Diskutanten bedienen, um ihre Thesen in immer neuen Varianten vorzutragen. Schäffler: Griechenland raus aus dem Euro. Wissing: keine Isolation Deutschlands.

Einem Zuhörer wird mulmig bei der Sache. Er fragt sich und die beiden Herren auf dem Podium, ob die Sache mit dem Mitgliederentscheid wirklich so eine gute Idee war, wie Schäffler am Anfang gepriesen hat. "Egal wie der Mitgliederentscheid ausgeht, wir werden damit in der Öffentlichkeit nicht punkten", fürchtet der Mann. Gewinne Schäffler, sei die FDP handlungs- und damit regierungsunfähig. Gewinne Wissing, stellten sich die Liberalen gegen eine gefühlte Mehrheit in der Bevölkerung. Eine Antwort bekommt er nicht.

Über die Lage der Liberalen wird nicht diskutiert

Auch nicht der junge Mann, der es seltsam findet, dass die FDP in Deutschland fordert, die Steuern zu senken, um die Konjunktur anzukurbeln. In Griechenland aber werden gerade auch nach deutschem Druck die Steuern massiv erhöht. Mit ähnlichem Ziel. Der junge Mann frage sich jetzt: "Haben wir 2009 das Richtige gesagt? Die ökonomischen Gesetze müssten ja in Griechenland und Deutschland die gleichen sein." Schäffler und Wissing ignorieren die Frage. Sie wollen den Euro retten und keine Zustandsanalyse der FDP abgeben.

An einer Stelle bekommt auch mal Wissing Beifall. Er hat eine Botschaft an alle Parteifreunde, die die FDP jetzt lieber in die Opposition schicken wollen. "Wenn ein Demokrat die Chance hat, an einer historischen Weichenstellung mitzumachen", sagt der 41-Jährige, "und er macht das nicht, ja, wofür gibt es uns dann?" Das geht bei allem Theoretisieren über die Euro-Rettung schnell unter: Bei diesem Mitgliederentscheid geht es um die Zukunft der FDP.

Eine ältere Frau hat vor allem Schäffler intensiv zugehört. Und sehr oft sehr zustimmend genickt. Ihrem Nachbarn flüstert sie zu: "Wenn wir eine Volksabstimmung machen würden, die wären alle für Schäffler." Es klingt nicht so, als ob sie etwas dagegen hätte. Ob sie dafür aber auch die Partei aufs Spiel setzen würde? In ein paar Wochen wissen Schäffler und Wissing mehr.

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