Familiennachzug:Wenn Härtefallregeln nicht umgesetzt werden

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Flüchtlingskind in Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen (Hessen) (Foto: dpa)

Anfang 2016 entschied die Koalition, dass bei minderjährigen Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutzstatus in Härtefällen die Eltern nachgeholt werden dürfen - doch dann passierte offenbar wenig.

Es war nicht gerade einer der Glanzmomente des Juniorpartners in der großen Koalition. Anfang des Jahres 2016 beschloss das Kabinett das sogenannte Asylpaket II - und damit eine Beschränkung des Familiennachzugs für Flüchtlinge mit nur subsidiärem Schutz. Mit den Stimmen der SPD.

Erst ein paar Tage später ging den Sozialdemokraten auf, dass die Regelung auch den Nachzug von Eltern minderjähriger Flüchtlinge umfasste. Die SPD distanzierte sich von der eigenen Zustimmung - und verhandelte im Februar nach. Das Ergebnis: In Härtefällen sollten auch bei Kindern und Jugendlichen mit eingeschränktem Schutzstatus Eltern nachgeholt werden dürfen. Die Einigung stand unter der Überschrift: "Die Humanität hat sich durchgesetzt."

Doch die geplante Einzelfallprüfung findet offenbar bislang gar nicht statt. Das berichtet das ARD-Hauptstadtstudio. Umfangreiche Recherchen in Ministerien, bei Sozialverbänden und Vormundschaftsvereinen belegten, dass die Härtefallregelung nie umgesetzt wurde, berichtet der Sender auf tagesschau.de.

"Keine Erkenntnisse" der Regierung

So heiße es in einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen: "Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor." Und auch das federführende Auswärtige Amt verweist nur vage auf "eine Reihe von Einzelfällen, [...] in denen ein Visum erteilt wurde oder das Visumsverfahren noch läuft". Statistisch erfasst würden diese Fälle allerdings nicht. Dabei dürfte dies eigentlich kein Problem sein.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIM), die Kirchen und ehrenamtliche Vormünder üben scharfe Kritik daran. Christina Busch von der Caritas im Erzbistum Berlin berichtet von einem großen Vertrauensverlust bei den Ehrenamtlichen. Ulrich Lilie, Präsident der Diakonie, warnt vor den gesellschaftlichen Folgen: Wer traumatisierte Kinder in einer Welt von ausschließlich jungen Männern aufwachsen ließe, schaffe genau die Probleme, vor denen man sich fürchte.

Das DIM sieht in der Aussetzung des Familiennachzugs generell einen klaren Verstoß gegen die UN-Kinderrechtskonvention. "Wenn ein Kind von seinen Eltern getrennt ist, besteht eine zwingende völkerrechtliche Verpflichtung, die Zusammenführung zu ermöglichen", sagte Ute Sonnenberg vom DIM der ARD. Die Behörden in Deutschland hätten hier "einen Ermessensspielraum von Null".

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