Euro:Brief vom "lieben Mario"

Treffen der EU-Finanzminister in Brüssel

Der Euro-Gruppen-Vorsitzende und portugiesische Finanzminister Mario Centeno in Brüssel.

(Foto: Geert Vanden Wijngaert/dpa)

Euro-Gruppen-Chef Mario Centeno skizziert den Rahmen für eine Reform der Währungsunion - und sucht dabei nach einem kleinsten gemeinsamen Nenner.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Es ist nicht leicht, es allen recht zu machen, schon gar nicht, wenn das Misstrauen so groß ist. Sieben Punkte solle der "liebe Mario" doch bitte berücksichtigen, "die uns wichtig sind für deinen Brief an Präsident Tusk", schrieb der niederländische Finanzminister Wopke Hoekstra im Auftrag von zwölf EU-Staaten an den Euro-Gruppen-Chef Mario Centeno. Sie alle hatten offenbar große Sorge, dass der Portugiese die Meinungsverschiedenheiten unter den Ländern nicht ausgewogen genug darstellen könnte. Und das bei einem so umstrittenen Thema wie der Reform der Wirtschafts- und Währungsunion.

Nach diesem Warnschuss blieb Centeno nichts anderes übrig, als den kleinsten gemeinsamen Nenner zu Papier zu bringen. Sein Brief an EU-Ratspräsident Donald Tusk ist die Beschreibung dessen, was zurzeit möglich ist in Sachen Euro-Reform. Das Schreiben ist eine Synthese aus den deutsch-französischen Vorschlägen, Wünschen der Südeuropäer und Forderungen der sogenannten Hanseatischen Liga, die von den Niederlanden angeführt wird. Centeno liefert damit die Diskussionsgrundlage für das Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs am Ende dieser Woche in Brüssel. Die wichtigsten Punkte im Überblick.

Bankenunion

Deutschland, die Niederlande und andere Nordstaaten haben sich durchgesetzt: Eine gemeinsame Einlagensicherung für Sparguthaben im Euro-Raum wird so schnell nicht kommen. Die "politischen Diskussionen" könnten zwar nach dem EU-Gipfel beginnen, heißt es in Centenos Brief, doch die Einschränkung folgt zugleich: "Risikoreduzierung und Risikoteilung müssen über 2018 hinaus fortgesetzt werden." Noch immer sitzen Banken in Italien, Griechenland oder Zypern auf einem Berg fauler Kredite. Diese sollen weiter abgebaut werden. Die Euro-Finanzminister streiten schon lange darüber, welche Kriterien erfüllt sein müssen, damit es eines Tages zu einer Einlagensicherung kommen kann. Centeno appelliert in seinem Brief: "Wir sollten im Ministerrat eine Einigung über (...) die Zahl der Maßnahmen zur Risikoreduzierung erreichen." Bislang ist das nicht mehr als ein Wunsch. Denn vor allem eine Frage ist hoch umstritten: Welche Rolle soll die Anzahl heimischer Staatsanleihen spielen, die eine Bank hält? In den Augen vieler Nordstaaten ist das ein Hauptproblem Italien. Die dortigen Banken besitzen einen weitaus größeren Anteil heimischer Staatsanleihen als etwa französische Geldhäuser. Ökonomen sprechen dabei von einem Klumpenrisiko.

Euro-Rettungsfonds

Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) soll zu einem Europäischen Währungsfonds ausgebaut werden - ob er am Ende auch so heißt, ist allerdings offen. Zwischen den Euro-Staaten besteht jedenfalls Konsens, dass beim ESM die letzte Absicherung für den Fonds, der für die Abwicklung maroder Banken zuständig ist, angesiedelt werden soll. Diesen Geldtopf, im EU-Jargon common backstop genannt, sollen die europäischen Banken bis 2024 mit ihren Beiträgen auffüllen. Laut Centeno hat sich die Mehrheit der Mitgliedstaaten für eine zusätzliche Kreditlinie beim ESM ausgesprochen. Sie soll Ländern helfen können, die in eine Krise kommen, aber nicht gleich ein volles Rettungsprogramm à la Griechenland benötigen. Ansonsten soll der ESM all jene Aufgaben übernehmen, die einst die Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) übernahm. Die Überwachung von Krisenländern, die immer wieder heftige Debatten und Proteste ausgelöst hatte, würde also neu und dauerhaft organisiert. Umstritten bleibt die Frage der Schuldentragfähigkeit, die in den Euro-Staaten unterschiedlich streng gesehen wird.

Fiskalkapazität

Das von Deutschland und Frankreich vorgeschlagene Budget für die Euro-Zone stößt auf Widerstand. Es gebe "Meinungsverschiedenheiten" - und zwar sowohl was den Nutzen als auch die mögliche Ausgestaltung eines solchen Haushalts betreffe, schreibt Centeno. Und das ist noch diplomatisch ausgedrückt. Die Staats- und Regierungschefs sollen die Frage jedenfalls diskutieren, die wohl erst in den Verhandlungen zum nächsten EU-Haushaltsrahmen gelöst werden dürfte. Paris und Berlin wollen das Euro-Budget in den EU-Haushalt integrieren, was aber von den Ländern der "Hanseatischen Liga" als nicht nötig erachtet wird. Sie lehnen auch den deutsch-französischen Vorschlag einer europäischen Arbeitslosenversicherung ab; der portugiesische Sozialdemokrat Centeno hat diese Idee aber in seinem Brief vorsichtig erwähnt, schließlich "könnte diese in schweren Wirtschaftskrisen berücksichtigt werden".

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