EuGH-Urteil zum Internetrecht:Neue Hürde für freies Wlan

Cafés und Läden mit Internet-Zugängen müssen künftig die Identität der Nutzer prüfen - sonst könnten sie illegale Downloads ihrer Gäste teuer zu stehen kommen.

Von Johannes Boie

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit einem Urteil die Verbreitung frei zugänglicher, kabelloser Internetzugänge deutlich erschwert. Die Richter urteilten, dass insbesondere gewerbliche Betreiber freier Wlans, wie zum Beispiel Cafébesitzer oder Ladeninhaber, dazu verpflichtet werden können, ihr kabelloses Netz für Gäste und Kunden mit einem Passwort zu schützen. So soll verhindert werden, dass über die offenen Netze illegalerweise urheberrechtlich geschützte Filme und Musik getauscht werden.

Um Zugang zum Netz zu erhalten, sollen sich Gäste künftig beim jeweiligen Betreiber identifizieren. Das könnte zum Beispiel geschehen, indem sie ihren Personalausweis vorzeigen. Die Betreiber der Netze hafteten zwar nicht für die Verfehlungen ihrer Gäste, urteilte das Gericht. Allerdings können künftig zum Beispiel Musik- oder Filmfirmen, die die illegale Verbreitung ihrer Produkte in offenen Netzwerken stoppen möchten, die Betreiber mit Hilfe von Gerichten nicht nur dazu zwingen, ein Passwort einzurichten. Dieser Zwang kann nach Ansicht der Richter auch mit einem Unterlassungsanspruch verbunden sein. Für die Netzbetreiber bedeutet das, dass Abmahn- und Gerichtskosten anfallen können - ein offenes Wlan kann künftig also teuer werden.

Allerdings gehen die Richter mit ihrem Urteil auch maßgeblich gegen das Geschäft sogenannter "Abmahnanwälte" vor. Diese mahnen alleine in Deutschland Jahr für Jahr in Tausenden Verfahren Netzbetreiber direkt ab, weil über deren Netz urheberrechtlich geschützte Musik oder Filme herunter- oder ins Internet hochgeladen wurden. Schadensersatz dürfen die Anwälte gar nicht mehr verlangen. Künftig müssen sie sich wohl an Gerichte wenden, ehe sie die Netzbetreiber mit richterlicher Hilfe ins Visier nehmen können.

Das Verfahren, über das die Richter zu entscheiden hatten, war von dem Piraten-Politiker Tobias McFadden gegen den Unterhaltungskonzern Sony Entertainment angestrengt worden. McFadden hatte eine Abmahnung nicht akzeptieren wollen, die ihm die Kanzlei Waldorf Frommer in Sonys Auftrag geschickt hatte. McFadden betreibt geschäftlich ein offenes Wlan, in dem ein Unbekannter urheberrechtlich geschützte Musik bereitgestellt haben soll. Sein Verfahren, das von der Piratenpartei finanziert wird, wird vor dem Landgericht München geführt. Das wiederum bat die europäischen Richter um die Klärung zahlreicher Fragen. Ein endgültiges Urteil in München ist erst in etwa einem Jahr zu erwarten, allerdings sind die Vorgaben aus Luxemburg bindend.

Viele Netzexperten und Juristen sind nach dem Urteilsspruch enttäuscht, weil die Richter die Möglichkeit versäumt haben, offene Netzwerke zu stärken und das Abmahnwesen einzudämmen. Beides gilt sowohl der EU-Kommission als auch der großen Koalition als politisches Ziel. Ulf Buermeyer, Berliner Richter und Experte für Netzpolitik, sagt: "Der EuGH hat offene Wlans in Deutschland deutlich risikoreicher gemacht. Der Ball liegt nun bei der deutschen Politik: Die Abschaffung der Wlan-Haftung ist rechtlich möglich, die Koalition muss es nur wollen."

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