EuGH-Richter:Schlüsselfigur beim Datenschutz

Neujahrsempfang Bundespraesident; POL

Thomas von Danwitz, 55, war Professor für Europarecht in Köln, bevor er 2006 Richter am Europäischen Gerichtshof wurde. Nach seiner Wiederwahl wurde er Kammerpräsident.

(Foto: dpa/picture alliance/Eventpress Herrmann)

Richter Thomas von Danwitz geht in seine dritte Amtszeit am EuGH. Damit wird er einsamer Rekordhalter unter deutschen Richtern.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Es war schon immer ein Ärgernis, dass den deutschen Richtern am Europäischen Gerichtshof in Luxemburg meist nur eine Amtszeit beschert war. Sie beträgt nur sechs Jahre, das reicht gerade mal, um sich - noch dazu auf Französisch - in die unübersichtliche Materie des EU-Rechts einzuarbeiten, kaum jedoch, um sich zu einem wirklich einflussreichen Mitspieler in dem komplizierten Gebilde namens EuGH zu entwickeln. Thomas von Danwitz ist gerade dabei, sich in der Reihe der deutschen EuGH-Richter zu einer Ausnahme zu entwickeln. An diesem Mittwoch wird das Bundeskabinett voraussichtlich beschließen, dass dem bereits seit 2006 amtierenden Richter nach zwei Mal sechs Jahren sogar eine dritte Amtszeit beschert wird; damit wäre er bis 2024 im Amt und einsamer Rekordhalter unter den deutschen Richtern.

Wozu eine längere Amtszeit gut sein kann, lässt sich schon jetzt am Beispiel des 55-jährigen Juristen beobachten. Nach seiner ersten Wiederwahl im Jahr 2012 rückte er in der Hierarchie auf und wurde zum Kammerpräsidenten ernannt. Vor allem aber ist er in den vergangenen Jahren zur zentralen Figur beim Datenschutz geworden, also in einem Rechtsgebiet, das inzwischen die Außenwahrnehmung des Gerichts prägt wie kein zweites. Mit spektakulären Urteilen rügte der EuGH die Regeln zur Vorratsdatenspeicherung, er mahnte bei Google ein "Recht auf Vergessen" an, forderte mehr Schutz bei Datentransfers in die USA und beanstandete vor Kurzem die Speicherung von Fluggastdaten. Zuständiger "Berichterstatter" - also der intern federführende Richter - war stets Thomas von Danwitz. Was in Luxemburg übrigens nicht dem Zufall der internen Geschäftsverteilung überlassen bleibt, sondern vom Gerichtspräsidenten entschieden wird. Für den EuGH ist der Datenschutz ein Terrain, um in seiner neuen Rolle als europäischer Hüter der Grundrechte Konturen zu gewinnen. Dass bei diesem eher linken Thema ausgerechnet Danwitz zur Schlüsselfigur wurde, ist eine hübsche Pointe; es war die CDU, die ihn seinerzeit gegen die von der SPD favorisierte Amtsinhaberin durchgesetzt hatte. Es ist aber auch ein Beleg für das nicht so seltene Phänomen, dass hohe Richter sich von der Agenda der Richtermacher emanzipieren.

Danwitz, zuvor Professor für Europarecht in Köln, war von Beginn an "europäischer" sozialisiert als viele seiner Vorgänger. Sein Werdegang ist stark französisch geprägt: Diplom an der Elitehochschule ENA, Gastprofessuren in Frankreich. Im "Dialog" zwischen EuGH und Bundesverfassungsgericht - manche sagen dazu auch Konflikt - nimmt er zwar schon qua Herkunft eine vermittelnde Position ein. Wo er steht, war trotzdem immer klar: Thomas von Danwitz ist ein europäischer Richter.

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