Essen:Ende der Ernährungs-Illusion

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Ein hoher Preis ist keine Garantie für hohe Qualität. Auch ein Olivenöl für 20 Euro pro Liter kann gepanscht sein.

(Foto: imago/imagebroker)

Olivenöl, das ranzig schmeckt, ein Vorzeige-Biobetrieb, der seinen Schweinen Antibiotika verabreicht. Ein Skandal? Eher nicht.

Kommentar von Jan Heidtmann

Wenn es ums Essen geht, bleibt man am Ende dieser Woche mal wieder ziemlich ratlos zurück. Da ist einmal die Stiftung Warentest, die 26 Olivenöle analysiert hat. 13 davon bekamen die Note mangelhaft, als gut wurde nur eines befunden. Und da sind die Bilder von der Schweinezucht: Eine Sau liegt eingezwängt in einem Metallgestell, auf nacktem Boden, am Bauch schwärende Wunden. Fotos, die einen schon in jedem normalen Betrieb irritieren würden. Doch sie wurden bei einem Pionier der Biobranche gemacht, den Herrmannsdorfer Landwerkstätten in Bayern. Und jetzt? Das Essen einstellen?

Solche Meldungen sind unheimlich, auch, weil sie sich schnell mit Erinnerungen an Pferdefleisch in der Lasagne und Käfern im Betrieb einer Großbäckerei vermengen. Doch man muss genau hinschauen. Im Fall des Olivenöls stellen die Tester klar, dass "von keinem eine akute gesundheitliche Gefahr ausgehen dürfte". Das rechtfertigt nicht, dass sich darin Spuren von Mineralöl, Pestiziden oder Weichmachern finden. Aber bis zum Lebensmittelskandal ist es noch ein Stück hin.

"Eine Illusion weniger", schreiben die Aktivisten

Ähnlich die Lage bei Herrmannsdorfer: Ja, der Betrieb hat Antibiotika bei Schweinen eingesetzt, und er hat die Tiere zeitweise in den geächteten Metallkäfigen gehalten. Das ist nicht in Ordnung, aber auch noch nicht der Skandal, zu dem es die radikalen Tierschützer von der "SOKO Tierschutz" gerne machen würden.

In einem Punkt haben die Aktivisten der selbsternannten SOKO jedoch recht, dann, wenn sie schreiben: "Eine Illusion weniger". Gemeint ist das Trugbild von der heimeligen Wurstmanufaktur nebenan, auf deren Gelände Schweine, Rinder und Hühner wohlgenährt und frohgemut ihrem Ende entgegensehen. Eine Vorstellung, die von Herrmannsdorfer und anderen Biobetrieben gefördert wird. Die viele Kunden aber auch nur zu gerne verinnerlichen.

In einem Bio-Betrieb gelten andere, bessere Standards als in der konventionellen Tierhaltung. Das betrifft die Tiere selbst, aber auch das Fleisch. Doch es bleiben Produktionsbetriebe - manche auch mit Massenhaltung - in denen sich Tiere verletzen und für die auch mal Antibiotika verordnet werden müssen. Da helfen selbst Patenschaften für Schweine, die inzwischen angeboten werden, nichts. Darüber dürfen die Kunden nicht hinweggetäuscht werden. Darüber dürfen sie sich selbst aber auch nicht hinwegtäuschen.

Das andere, was sich aus den Meldungen der vergangenen Woche lernen lässt: Ein hoher Preis ist keine Garantie für hohe Qualität. Auch ein Olivenöl für 20 Euro pro Liter kann gepanscht sein. Selbst vier von sechs Bio-Produkten wurden von den Testern als "mangelhaft" bewertet. Und keiner der Produzenten, so die Stiftung Warentest, kennzeichnete sein Öl zutreffend. Angaben zur Herkunft waren da genauso falsch wie die zur Güteklasse. Dem ist der Kunde ziemlich hilflos ausgeliefert.

Sich gut zu ernähren ist mühsam. Die Zahl der Produkte in einem gut sortierten Supermarkt beträgt ungefähr 30 000. Zu viel, sagen Experten - denn da eine informierte Wahl zu treffen ist fast unmöglich. Wer es mit der Ernährung ernst meint, der kauft dort ein, wo er die Produktionswege kennt. Das kann auch der Bauernhof nebenan sein. Man darf nur nicht glauben, wenigstens der sei das reinste Idyll.

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