Einschränkung der Prozesskostenhilfe:Recht - nur noch auf Kredit

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Wer sich in Deutschland keinen Anwalt leisten kann, erhält ihn kostenlos: durch die Prozesskostenhilfe. Ein geplantes Gesetz könnte dieses Kernprinzip des sozialen Rechtsstaates aufweichen. Deutsche Anwälte sind empört.

Von Heribert Prantl

Jeder soll sich sein gutes Recht vor Gericht erstreiten können, auch wenn er kein oder nur wenig Geld hat. Das gehört zu den Kernprinzipien des sozialen Rechtsstaats. Deshalb gibt es die Prozesskostenhilfe, die es auch "unbemittelten" Leuten möglich machen soll, sich einen Anwalt zu nehmen und vor Gericht zu ziehen oder sich gegen eine Klage zu verteidigen.

Diese Prozesskostenhilfe (PKH) soll jetzt stark eingeschränkt werden. Im Bundestag wurde am Donnerstag in erster Lesung ein Gesetz der schwarz-gelben Koalition beraten, das die Kosten drücken, den Kreis den Anspruchsberechtigten verkleinern und das Hilfesystem stärker auf Darlehen umstellen soll; die müssen dann nach dem Prozess zurückgezahlt werden.

Den 16 Bundesländern sind die 500 Millionen Euro im Jahr, die sie derzeit für Prozesskosten- und Beratungshilfe ausgeben, zu viel. Sie haben schon in den vergangenen Jahren via Bundesrat versucht, ein Kostenbegrenzungsgesetz durchzusetzen, es aber bisher nicht geschafft. Die Neue Richtervereinigung hatte 2006 in einem Brandbrief an die damalige Bundesjustizministerin das Projekt als "in erschütternder Weise verfassungswidrig" bezeichnet. Nun wird der Bundesrats-Gesetzentwurf mit ein paar Änderungen als Projekt der Bundesregierung weiterbetrieben.

70 Millionen sollen eingespart werden

58 Seiten lang ist der Gesetzentwurf - und das wichtigste Wort darin ist "Einsparungen". Durch die Absenkung der Freibeträge sollen künftig sehr viel mehr Rechtsuchende als bisher die Hilfe nicht mehr kostenlos, sondern nur noch per Darlehen erhalten, die in Raten zurückbezahlt werden müssen. In der Gesetzesbegründung heißt es dazu: "Vorsichtig geschätzt betrifft dies 20 Prozent der jährlich etwa 630.000 bisher ratenfreien Prozesskostenhilfebewilligungen, also 126.000 Fälle". So sollen 70 Millionen Euro eingespart werden. Die Ausgaben in Deutschland für PKH liegen im EU-Vergleich im Mittelfeld.

Die allermeisten PKH-Anträge (62 Prozent) werden im Familienrecht gestellt. Hier sollen die Hürden künftig höher gelegt werden; künftig erhält ein armer Antragsgegner nicht mehr automatisch Hilfe, wenn der Antragsteller von einem Anwalt vertreten ist. Es soll im Einzelfall geprüft werden, ob der Fall wirklich so liegt, dass ein Anwalt beigeordnet werden muss.

Prozesskostenhilfe hat vor gut dreißig Jahren das "Armenrecht" abgelöst. Man musste sich bis dahin bei seiner Heimatgemeinde ein Armutszeugnis abholen und damit zum Gericht gehen. Die PKH sollte diese demütigende Prozedur beenden.

Die Bundesrechtsanwaltskammer und der Deutsche Anwaltverein kritisieren die jetzt geplanten Einschränkungen der Prozesskostenhilfe scharf. Von einem Armutszeugnis für den sozialen Rechtsstaat ist die Rede.

© SZ vom 01.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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