DVU drängt ins Internet:Heimseite für Nationalisten

Die alte DVU gibt sich jung und bürgerlich: Mit einem neuen Image versuchen die Rechtsextremisten, sich von der angeschlagenen NPD abzusetzen.

Marc Felix Serrao

Die drei schiefen, knallroten Buchstaben wirken flott, ganz untypisch für die Organisation, die dahinter steht. Mit den weißen Strichen drumherum, die aussehen, als hätte sie jemand eilig hingekritzelt, erinnern sie an ein kleines Graffiti. DVU, das steht für Deutsche Volksunion. 28 Jahre ist die zweitgrößte, aber gern vergessene Rechtsaußen-Partei erst alt. Dennoch wirkte sie zuletzt so verstaubt und vormodern wie keine andere.

DVU drängt ins Internet: "Europa wehrt sich": Testversion des neuen Internetportals der DVU

"Europa wehrt sich": Testversion des neuen Internetportals der DVU

(Foto: Screenshot: sueddeutsche.de)

Sie galt bestenfalls als obskure Politsekte, die ihrem reichen Gründer und Dauervorsitzenden Gerhard Frey auf Gedeih und Geld ausgeliefert war. Doch Frey wurde Anfang des Jahres ersetzt. Der neue, junge Parteichef versucht seitdem im Eiltempo, sich vom Alten freizustrampeln. Nun sogar mit Graffiti.

Das hochgepeppte Kürzel gehört zu einem neuen Internetportal, das in Kürze starten soll. "Europa wehrt sich", heißt es. Auf der Testversion befindet sich über dem DVU-Logo das Bild einer Moschee - damit gleich klar ist, gegen wen es hier geht. Drunter sind Menüpunkte zum Anklicken: Mitglieder, Blogs, Videos, Umfragen.Noch alles leer. "Aber nicht mehr lange", sagt Matthias Faust: "Das ist unser Facebook." Der bullige, 37-jährige Hamburger wurde im Januar mit fast 90 Prozent zum DVU-Chef gewählt. Nun hat er das erste Web-2.0-Angebot für Rechtsextreme erfunden.

Ein Wirtshaus in München. Der DVU-Chef kommt nicht allein. Faust gegenüber sitzt ein etwa halb so breiter Mann mit Brille und dunklem Bartschatten. Andreas Molau ist 41 und war mal Waldorflehrer. Die Herren tragen Kurzarmhemden, sagen nett "Hallo", und wer sie nicht kennt, könnte sie für etwas biedere, aber harmlose Zeitgenossen halten.

Molau, der gerade vergeblich versucht hat, Udo Voigt als Parteichef der NPD zu beerben, gilt in der Szene als gemäßigter Intellektueller, falls es da so etwas gibt. "Liberale Luftpumpe" nennen ihn die Neonazis. Bei Aufmärschen konnte es passieren, dass ganze Trupps Molau den Rücken zuwandten, wenn er sprach. Als er im Februar plötzlich entmachtet dastand, bot ihm Faust als DVU-Sprecher ein neues Zuhause.

Die zwei kennen sich erst seit 2008. Doch Leute, die strategisch denken und unfallfrei Deutsch sprechen, sind in diesen Kreisen rar - und können entsprechend schnell aufsteigen. Und das wollen Molau und Faust beide. Neuerdings sägen sie fleißig an jenem Bündnis, das lange für Ruhe sorgte unter Deutschlands Rechtsextremisten.

Ende des Pakts

"Deutschlandpakt" heißt der Deal, mit dem NPD und DVU seit 2005 alle Wahlen untereinander aufteilen, um sich keine Stimmen zu stehlen. Doch seit der krassen Radikalisierung der NPD - auf dem jüngsten Parteitag flogen alle gemäßigten Kräfte aus dem Vorstand - wackelt der Pakt. Molau spricht bloß noch von einem "Waffenstillstand, mehr nicht". Bis zur Bundestagswahl im September dürfte er noch halten. Und dann?

Der DVU-Chef rechnet mit zwei Szenarien. Im Ersten gelingt dem "vernünftigen" (Faust) Holger Apfel der Wiedereinzug in den sächsischen Landtag. In dem Fall könnte der einstige Voigt-Zögling Apfel versuchen, den Parteichef abzulösen und damit eine gewisse Entradikalisierung der Partei erzwingen. Im zweiten Szenario verliert Apfel, und die NPD-Neonazis um Jürgen Rieger bauen ihre Macht aus. Das, sagt Faust, wäre wohl das Ende des Pakts. Erst am Freitag hat sein Partner Molau das verbliebene Amt als stellvertretender NPD-Landeschef in Niedersachsen abgegeben.

"Wir sind politikfähig", sagt Faust auf die Frage, was ihn und Molau von der finanziell notleidenden NPD unterscheidet. Damit meint er nicht nur seinen neuen, bürgerlich angepinselten Kurs. Fausts Vorgänger und DVU-Finanzier Frey, 76, habe sich zwar "aus dem operativen Geschäft zurückgezogen". Doch die DVU hat eine neue Geldquelle: Patrik Brinkmann. Der Schwede besitzt eine weiße Villa in Berlin-Zehlendorf und vertritt einen Rechtsextremismus, der sich kulturalistisch statt völkisch gibt. Ein Volk, so Brinkmann, das seien: "die Herkunft, die Kultur und der Wille".

"Der Crash kommt gerade recht"

Am liebsten wäre ihm eine rechte Einheitspartei, sagt Faust. Ob einer wie er, der früher Automaten-Videotheken betrieb, die DVU zu einer Massenbewegung wie die österreichische FPÖ ummodeln könnte? Er finde es "auf jeden Fall toll, was die da geschafft haben", lobt Faust. Was er schon gelernt hat, ist, seine Worte in Watte zu packen. Ausländer? Kein Problem, sagt der DVU-Chef. "Es sollten nur nicht mehr werden." Er habe auch nichts gegen Muslime. Sie sollten nur bitteschön keine Moscheen mehr bauen. Solche Dinge kann man auch von CDU-Leuten hören, abends, beim Bier. Faust war, bis er 30 Jahre alt war, auch in der Volkspartei. Wenn es ihm hilft, kann er immer noch bürgerlich auftreten. Allerdings dürfte es keinen in der CDU geben, der wie er den berüchtigten Neonazi Christian Worch als "alten Freund" bezeichnet.

Mit flotten Graffiti, wie im neuen Internetportal der DVU, kann man viel übermalen, aber eben nicht alles. Doch die Wirtschaftskrise, hoffen die neuen DVU-Strategen, arbeite für sie. "Der Crash kommt gerade recht", sagt Molau.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: