Die Linke: Eklat in der Partei-Sitzung:Antisemitismus-Debatte eskaliert

Während die Linke in einer Sitzung darüber streitet, was Antisemitismus ist und was nicht, greift Parteichef Klaus Ernst einen seiner Parteikollegen lautstark an. Der hatte Ernst einen unangemessenen Umgang mit dem Präsidenten des Zentralrats der Juden vorgeworfen. Einige verlassen daraufhin den Saal.

In der Auseinandersetzung über den Vorwurf des Antisemitismus in der Linkspartei hat Parteichef Klaus Ernst in der Bundestagsfraktion einen Eklat ausgelöst. In einer Sitzung am Dienstagabend griff Ernst den Abgeordneten Michael Leutert nach Angaben aus Teilnehmerkreisen lautstark an. Leutert hatte ihm im Umgang mit dem Präsidenten des Zentralrates der Juden, Dieter Graumann, einen "nicht angemessenen Tonfall" bescheinigt. Leuterts Äußerungen stünden in keinem Verhältnis zu dessen "Lebensleistung", monierte Ernst aufgebracht.

Ernst fordert SPD zu engerer Zusammenarbeit auf

Linken-Chef Klaus Ernst greift an: Er findet, dass er sich gegenüber dem Zentralrat der Juden nicht falsch verhalten hat. 

(Foto: dpa)

Nach diesem Angriff auf Leutert verließen ein Dutzend Abgeordnete, unter ihnen Fraktions-Geschäftsführerin Dagmar Enkelmann, empört den Saal. Im weiteren Verlauf der Sitzung äußerte Ernst zwar Bedauern über seine Wortwahl, blieb aber im Kern bei seiner Kritik. "Sein Job wäre es gewesen, den Laden zusammenzuhalten. Gemacht hat er das Gegenteil", sagte ein Fraktionsmitglied am Mittwoch über Ernst, der schon länger dafür kritisiert wird, für einen Parteivorsitzenden nicht integrativ genung zu wirken.

Graumann hatte in der Süddeutschen Zeitung Teilen der Linken "blindwütigen Israel-Hass" vorgeworfen und war von Ernst daraufhin aufgefordert worden, die "Niederungen der Parteipolitik schnell wieder zu verlassen". In der Linksfraktion wird seit Wochen erbittert über zulässige und unzulässige Formen der Israel-Kritik gestritten.

Am 8. Juni hatte Fraktionschef Gregor Gysi einen Beschluss durchgesetzt, wonach die Linke sich weder an Boykottaufrufen gegen israelische Waren noch an der diesjährigen Fahrt der "Gaza-Flotille" beteiligt. Dies war von Vertretern der Parteilinken als "Maulkorb" kritisiert worden.

Nun fasste die Linksfraktion nach mehrstündiger Debatte einen zweiten Beschluss, der sich gegen die "inflationäre Verwendung des Begriffes Antisemitismus" wendet. Die Linke werde weiterhin die Politik der israelischen Regierungen gegenüber den Palästinensern öffentlich kritisieren.

Es sei "nicht hinnehmbar, wenn einer derartigen Kritik an der Politik der israelischen Regierung mit dem Vorwurf des Antisemitismus begegnet wird". 45 Abgeordnete stimmten für den Beschluss, sechs mit Nein und fünf enthielten sich. Die Kritiker aus dem Reformerlager wandten ein, der zweite Beschluss könne als Relativierung des ersten verstanden werden.

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