Deutscher Sicherheitsbericht zu Salafisten:Stopp für Missionare der Intoleranz

Sie verbreiten ihre Ideologie über Videos im Netz, aggressive Prediger und Seminare: Ein Sicherheitsbericht zeigt, wie die Salafisten die Idee eines islamischen Gottesstaats mit Hilfe von Saudi-Arabien nach Deutschland exportieren. Nun beraten die Innenminister, wie die Bewegung aufzuhalten ist.

Roland Preuß

Man könnte sie für bizarre Sonderlinge halten, orientiert am religiösen Leben des 7. Jahrhunderts, mit wildwachsenden Vollbärten und weißen Kappen auf dem Kopf.

Salafist Vogel predigt in Koblenz

Zuschauerin bei einer Predigt des Salafisten Pierre Vogel: Glorifizierung des islamischen Staates.

(Foto: dapd)

Doch die Salafisten haben eine politische Seite, glorifizieren den islamischen Staat und lehnen demokratisch beschlossene Gesetze ab, schließlich hat Allah alles Wesentliche für alle Zeiten im Koran vorgegeben. Wer braucht da noch ein Parlament?

Die Radikalmuslime bilden nach Einschätzung von Sicherheitsbehörden die am stärksten wachsende Islamistengruppe im Land. Das lässt auch die Innenminister aus Bund und Ländern aufhorchen, auf ihrer Konferenz an diesem Dienstag und Mittwoch in Frankfurt wollen sie über die zunehmende Gefahr beraten.

Grundlage hierfür ist ein 63 Seiten starkes "Gutachten zur Verfassungsfeindlichkeit salafistischer Bestrebungen". Es ist der bislang umfangreichste Sicherheitsbericht, der zu dem Thema bekannt wurde.

In dem Gutachten, das der SZ vorliegt, beschreiben die Verfassungsschützer den Salafismus als "dynamischste islamistische Bewegung", die ihre Ideologie erfolgreich verbreite durch Kurzvideos im Internet, sogenannte Islamseminare und charismatische Prediger wie den Konvertiten und ehemaligen Boxer Pierre Vogel alias Abu Hamza. Seine Reden gelten geradezu als Events, zu denen viele junge Anhänger auch von weit her anreisen.

Keine verlässlichen Zahlen

Die Salafisten seien erst vor wenigen Jahren in den Fokus der Sicherheitsbehörden gerückt heißt es da, wegen fehlender Hierarchien oder Dachorganisationen bereite ihre Kontrolle Probleme. Es existieren nicht einmal bundesweite Zahlen zu den Salafisten.

Allein der Bremer Verfassungsschutzbericht aber bezifferte die regelmäßigen Besucher des Freitagsgebets einer Salafisten-Moschee mit 250 bis 350. Bei weitem nicht alle Salafisten sind gewaltbereit, allerdings hatten dem Gutachten zufolge Terroristen und Gefährder Kontakt mit Figuren der salafistisch inspirierten Szene: Mitglieder der "Sauerlandzelle" etwa, die schwere Anschläge in Deutschland vorbereiteten, oder Arid U., der am Frankfurter Flughafen im März zwei US-Soldaten erschoss. Er hatte laut Bericht auch salafistische "Freunde" auf seiner per Pseudonym geführten Facebook-Seite, unter ihnen Pierre Vogel.

Reiche Financiers aus dem Nahen Osten

In der Szene hält man nichts von der Gleichberechtigung der Frauen, dafür umso mehr vom Dschihad gegen Ungläubige und von Saudi-Arabien. Immer wieder taucht das Land im Zusammenhang mit der Ideologie auf, von dort kommen den Verfassungsschützern zufolge Propagandamaterial und Geistliche zur Fortbildung. Was tun?

Man dürfe trotz aller Rücksichtnahme auf den westlichen Verbündeten Saudi-Arabien dieses Problem nicht ausklammern, sagt der bayerische Innenminister Joachim Herrmann. "Es gibt reiche Financiers der Salafisten aus dem Nahen Osten, auch aus dem Umfeld staatlicher saudischer Einrichtungen." Jeder habe das Recht, den islamischen Glauben zu missionieren, sagt der CSU-Politiker. "Aber wir erwarten, dass die Saudis Aktivitäten verhindern, die gewaltbereite Intoleranz bei uns fördern."

Dies müsse die Bundesregierung in der Außen- und Entwicklungspolitik berücksichtigen. Der Salafismus birgt nach Einschätzung Herrmanns die Gefahr, Terroristen hervorzubringen, die in Deutschland aufgewachsen sind.

Die Warnung vor der Strömung ist durchaus parteiübergreifend. Im April erst hatte Berlins SPD-Innensenator Ehrhart Körting festgestellt, der Salafismus bewirke "in vielen Fällen eine Radikalisierung" von Gläubigen. In der Hauptstadt war im vergangenen Jahr eine salafistisch ausgerichtete Moschee in Berlin-Wedding gegründet worden.

Großdatenbank für Ausländer

Als weiteres Sicherheitsthema sticht bei der Innenministerkonferenz neben dem anhaltenden Streit um die Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten eine neue Großdatenbank hervor: Das Ein- und Ausreise-System (Entry-Exit-System) soll alle Ausländer, die mit einem Visum in die Schengen-Staaten kommen, erfassen und vor allem ihre Ausreise registrieren.

Menschen, die trotz Ablauf ihres Visums bleiben und beispielsweise schwarzarbeiten, sollen so überhaupt erst auffallen. "Wir wissen viel zu wenig, wer sich in diesem riesigen Schengen-Raum aufhält", sagt Herrmann. Bislang sind die Behörden hier auf den Zufallsfund bei Schwarzarbeiter-Razzien oder Personenkontrollen angewiesen.

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