Der Ex-Geheimdienst-Chef und Paula Broadwell:Wie das FBI Petraeus' Sex-Affäre entdeckte

Amerika ist schockiert über den Rücktritt von CIA-Chef David Petraeus und giert nach Informationen über die Geliebte. Paula Broadwell war Elite-Soldatin und Autorin einer Biografie über den Vorzeige-General. Über das Leben der 40-Jährigen ist viel bekannt, doch ebenso vieles ist noch unklar. Warum begann das FBI zu ermitteln, wieso trat Petraeus erst nach der Wahl zurück und welche Folgen hat die Causa für Obama?

Matthias Kolb, Washington

Paula Broadwell

Paula Broadwell, die zwischenzeitliche Geliebte des zurückgetretenen CIA-Chefs David Petraeus, hat ein Buch über den Ex-General verfasst.

(Foto: AP)

Bis zu seinem Rücktritt an diesem Freitag hatte David Petraeus einen legendären Ruf. "King David" wurde der Vier-Sterne-General genannt, er galt als konzeptioneller Vordenker und hervorragender Stratege. Mitte des vergangenen Jahrzehnts hatte der 60-Jährige eine neue US-Strategie zur Aufstandsbekämpfung entworfen, die er als US-Oberbefehlshaber in Bagdad wie auch in Afghanistan im Krieg gegen die afghanischen Taliban umzusetzen versuchte, ehe er im Juni 2011 die Leitung des Auslandsgeheimdiensts CIA übernahm. Auch als möglicher Chef der Elite-Uni Princeton wurde er gehandelt.

Erst in dieser Woche druckte das Magazin Newsweek einen Artikel über die "zwölf Lebensregeln" des Generals ab. Eine Führungsperson brauche eine Vision und müsse körperlich fit sein. Regel Nummer 5 klingt wie eine Vorwarnung: "Wir alle werden Fehler machen. Entscheidend ist es, sie zu erkennen und sie sich einzugestehen."

Noch pikanter ist die Autorin des Textes über die "zwölf Lebensregeln": Es ist Paula Broadwell, Verfasserin von "All In: The Education of General David Petraeus" - und die zwischenzeitliche Geliebte des seit 37 Jahren verheirateten Generals. Die Affäre war der Grund für Petraeus' Rücktritt, mit dem "ein kometenhafter Aufstieg abrupt endete", wie die New York Times ein Porträt überschrieb.

[] Wer ist Paula Broadwell, die Geliebte von David Petraeus?

Seither ist "Paula Broadwell" einer der häufigsten Suchbegriffe bei Google. US-Medien haben Details aus ihrem Leben ausgegraben. Andere Fragen über die Causa Petraeus, etwa der Zeitpunkt des Rücktritts oder der Auslöser der FBI-Ermittlungen sind weiter unklar. Auch die politischen Folgen für den wiedergewählten US-Präsidenten Barack Obama sind noch nicht absehbar.

Wie ihr Liebhaber studierte die 40-Jährige an der elitären Militär-Akademie West Point, wo sie nicht nur für ihre akademischen Fähigkeiten, sondern auch als "Absolventin mit der besten Fitness" ausgezeichnet wurde. "Auch bei den Männern hätte ich zu den besten fünf Prozent gehört", wird Broadwell von der New York Times zitiert. Später machte sie einen Master in Harvard, wo sie als Forschungsassistentin arbeitete - und 2006 David Petraeus kennenlernte.

Sie habe ihm von ihren Forschungsinteressen erzählt, er habe seine Hilfe angeboten und so sei aus ihrer Dissertation jene Biographie über den legendären General entstanden, die im Januar 2012 erschien, sagte sie dem Harvard Center for Public Leadership. Sie sei von seinen Führungsfähigkeiten beeindruckt gewesen, schwärmte Broadwell: "Er nimmt Mentoring sehr ernst, schreibt lange Empfehlungsbriefe und beantwortet jede E-Mail persönlich."

Um für das Buch zu werben, trat sie auch in der "Daily Show" von Jon Stewart auf und verriet, dass Petraeus früher "Peaches" genannt wurde und sie ihn in Afghanistan vor allem während Fünf-Meilen-Läufen interviewen konnte (Video-Clip hier). Der Besuch in der Show endete mit einem Wettbewerb in Liegestützen - den Broadwell spielend gewann, woraufhin der Satiriker 20.000 Dollar für Veteranen spendete.

Nach übereinstimmenden Medienberichten hatte die Affäre zwischen Broadwell und Petraeus erst nach seiner Rückkehr aus Afghanistan begonnen und ist seit Monaten beendet. Mit ihrem Mann, einem Arzt, und zwei Kindern lebt Broadwell, die sich im Interview mit der Lokalzeitung als "soccer mom" bezeichnet, in einem schicken Vorort von Charlotte in North Carolina und hat bisher jeden Kontakt zu den Medien, die an ihrer Tür klingeln, anrufen und E-Mails schreiben, vermieden.

[] Wieso begann das FBI zu ermitteln und was wurde untersucht?

Laut New York Times begann die Bundespolizei FBI ihre Ermittlungen, nachdem sich eine Frau aus Petraeus' Umfeld über "Droh-E-Mails" von Broadwell beschwert hatte. Die Agenten untersuchten die E-Mails der Autorin und fanden Nachrichten des CIA-Chefs, die auf eine Affäre hindeuteten. "Es begann mit zwei Frauen und dann stießen die Ermittler auf Petraeus", sagte die anonyme Quelle. Bislang ist nicht bekannt, wer die zweite Frau ist - laut New York Times gehört sie nicht zur Familie und arbeitet nicht für die Regierung, aber "beide scheinen um Petraeus' Loyalität und womöglich um seine Zuneigung zu konkurrieren".

Ähnlich wird der Sachverhalt auch in der Washington Post geschildert. Das FBI habe nach der Lektüre der "sexuell eindeutigen" E-Mails zunächst vermutet, dass der Privat-Account von Petraeus gehackt worden sei, was eine Bedrohung für die nationale Sicherheit bedeutet hätte.

Hochrangige Regierungsbeamte sagten der Washington Post, dass in Broadwells Postfach Geheimdokumente gefunden wurden, doch Petraeus sei nicht die Quelle gewesen. Die Agenten hätten vor zwei Wochen mit Petraeus gesprochen und ihn über die Ermittlungen informiert. Da die Bundesbehörde dem CIA-Chef jedoch keinen Rechtsverstoß vorwerfen konnte und für Ehebruch nicht zuständig ist, wurde die Lage immer komplizierter: "Was lag in unserer Verantwortung? Wir befanden uns in einem völlig unbekannten Bereich."

Welche Folgen hat die Affäre für Obama?

[] Wieso trat Petraeus erst nach der Präsidentschaftswahl zurück?

Laut Washington Post informierte das für das FBI zuständige Justizministerium am 6. November gegen 17 Uhr James R. Clapper, den obersten Geheimdienstchef, über das kompromittierende Material, das sie über den CIA-Chef gefunden hatten - also eine Stunde, bevor die Wahllokale in den ersten Staaten der Ostküste schlossen. Clapper sprach daraufhin mit Petraeus und riet diesem, das Weiße Haus zu informieren und seinen Rücktritt einzureichen. Am Mittwoch, dem Tag nach der Wiederwahl Obamas, informierte Clapper die Regierung. Obama selbst hatte, so die Washington Post, am Donnerstag von dem Sachverhalt erfahren und nach einem Gespräch mit Petraeus dessen Rücktrittsangebot zunächst nicht angenommen, bevor er am Freitag zustimmte.

Inwieweit Petraeus oder das FBI versuchten, die Veröffentlichung über die außereheliche Affäre des auch bei den Republikanern äußerst geschätzten CIA-Chefs (er wurde sogar als möglicher Vize von Mitt Romney gehandelt) hinter den Wahltermin zu schieben, ist bisher unklar. Weder Justizminister Eric Holder noch FBI-Chef Robert Mueller äußerten sich bisher. Allerdings ist die Einschätzung des Washingtoner Magazins Politico völlig richtig: Wäre die Enthüllung über den Seitensprung von "King David" vor der Wahl bekannt geworden, hätte dies die Wirkung der Bilder von Obama als Katastrophenhelfer im Kampf gegen die Schäden von Supersturm Sandy deutlich geschwächt.

In Gesprächen mit der Washington Post versicherten die Regierungsbeamten, es bestehe kein Zusammenhang zwischen dem Rücktritt und der seit Wochen andauernden Kritik der Republikaner an Obamas Aufklärung des Anschlags in Bengasi, bei dem vier Amerikaner starben. Seit Mitte September wird ständig diskutiert, ob die CIA in ihrer Aufklärungsarbeit versagt habe und vor der Bedrohung in Bengasi hätte warnen müssen. Viele konservative Kommentatoren üben sich bereits in Verschwörungstheorien - in der kommenden Woche hätte Petraeus vor dem Kongress aussagen sollen.

Deutlich vernehmbar ist die Kritik, dass etwa die Mitglieder des Geheimdienst-Ausschusses von Senat und Repräsentantenhaus erst am Freitag über die Untersuchung informiert wurden - gleiches gilt für die Sprecher beider Parteien auf dem Capitol Hill. Die Begründung der anonymen Quellen der Washington Post: "Es habe sich hier um private Angelegenheiten gehandelt und nicht um Geheimdienstinformationen."

Für Gesprächsstoff wird eine Enthüllung der New York Times sorgen: Demnach habe ein whistle blower Eric Cantor, den zweitmächtigsten Republikaner im Repräsentantenhaus, über Gerüchte informiert, dass Petraeus fremdgehe. Cantors Büroleiter habe dies dem FBI eine Woche vor der Wahl mitgeteilt.

[] Welche Folgen hat dies für US-Präsident Obama?

Mit Sicherheit haben sich Obama und seine Berater das erste Nach-Wahlsieg-Wochenende anders vorgestellt. Die Berichte über Petraeus' Rückzug dominieren die US-Medien und natürlich wird viel über die Leistung der CIA rund um den Anschlag in Libyen geschrieben und im Fernsehen gesprochen. Viele Moderatoren bei Fox News und Tea-Party-Anhänger sind felsenfest davon überzeugt, dass die Regierung in Sachen Bengasi etwas zu verbergen habe.

In einer Phase, in der Obama sich bemüht, bessere Kontakte und vielleicht sogar ein Vertrauensverhältnis zu den Republikanern aufzubauen, um einen Kompromiss für das Steuerkliff zu vermeiden, ist eine solche Polarisierung schädlich. Und mit dem Rücktritt des CIA-Chefs muss Obama noch eine weitere wichtige Stelle neu besetzen (Politico präsentiert mögliche Nachfolger), ohne die "Allzweckwaffe" Petraeus etwa als Joker für das Pentagon zur Verfügung zu haben (Details in diesem SZ-Text).

Linktipp: Die Washington Post hat einen langen, ausgewogenen Text über David Petraeus und seine Beziehung zu Paula Broadwell veröffentlicht. Michael Wines untersucht in der New York Times, wieso vielen hochrangigen Politikern in Amerika nicht bewusst ist, dass es in Zeiten von Emails, Handys und Twitter schwieriger ist, Seitensprünge zu vertuschen als in früheren Zeiten.

Der Autor twittert unter @matikolb

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: