Debatte:Die AfD ist kein Fall für den Verfassungsschutz

Landesparteitag der AfD Sachsen

Dunkles Potenzial: Noch ist unklar, in welche Richtung sich die AfD bewegen wird.

(Foto: dpa)

Der Nachrichtendienst will zukünftig "Reichsbürger" unter Beobachtung stellen. Das ist richtig. Doch im Umgang mit der AfD sollte er äußerst zurückhaltend sein.

Kommentar von Wolfgang Janisch

Dieser Schritt war fällig. Der Verfassungsschutz in Bund und Ländern wird fortan die sogenannten Reichsbürger unter Beobachtung stellen, jene anfänglich als eher verschroben geltende Truppe aus Verschwörungstheoretikern, die inzwischen immer aggressiver wird in ihrer Ablehnung der bundesrepublikanischen Obrigkeit. Den Schützen von Georgensgmünd, der im vergangenen Monat einen Polizisten erschoss, mag man als Einzeltäter sehen; aber die Tat zeigt, wie viel brutaler Ernst in den Drohgebärden steckt, mit denen "Reichsbürger" Beamte einzuschüchtern versuchen.

Es ist also gewiss eine richtige Entscheidung, diese Fundamentalisten der Staatsverneinung ins Visier zu nehmen, nur: Für die Frage, wie der Verfassungsschutz mit dem amorphen rechten Spektrum umgehen soll, ist dieser erste Schritt kein Präjudiz. Denn der rechte Rand ist nicht nur breiter geworden, sondern auch unübersichtlicher; angesichts der Wahlergebnisse der AfD fragt man sich verzweifelt, ob man überhaupt noch von "Rand" sprechen kann. Die Trennlinien zwischen bürgerlichem Protest, Rechtspopulismus und Extremismus sind unscharf, sowohl zwischen den Gruppierungen als auch beispielsweise innerhalb der AfD selbst. Nicht jeder Wutbürger ist gleich ein militanter Islamfeind - aber auf der Straße oder im Internet findet man sie Seite an Seite.

Aufgabe des Verfassungsschutzes ist es, Informationen über "Bestrebungen" zu sammeln, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. Das Amt selbst war im Umgang mit dieser Definition gern auch mal großzügig - vor allem nach links. Der Bürgerrechtler Rolf Gössner musste fast vier Jahrzehnte unter den wachsamen Augen der Behörde arbeiten, bevor ein Gericht der Sache ein Ende machte. Die Beobachtung der Linkspartei wurde erst 2014 eingestellt, nachdem das Bundesverfassungsgericht ein ernstes Wort gesprochen hatte.

Die "Reichsbürger" zu beobachten ist richtig. Aber die AfD?

Übersetzt auf die jetzige Situation heißt das: Der Verfassungsschutz hat seinen Platz dort, wo es um aggressiven Fremdenhass geht, um Antisemitismus und Rassismus. Den richtigen Ansatzpunkt zu finden ist freilich nicht einfach; auch die Pegida-Bewegung zum Beispiel ist keineswegs ein einheitliches Phänomen.

Für den Umgang mit der AfD dagegen sollte sich der Verfassungsschutz größte Zurückhaltung auferlegen. Zwar wird man auch hier noch nicht das letzte Wort sprechen können, weil keineswegs klar ist, in welche Richtung sich die Partei bewegen wird; antisemitische Ausfälle in ihren Reihen lassen ahnen, welch dunkles Potenzial da schlummert. Doch bisher ist die AfD kein Fall für den Verfassungsschutz. Erstens, weil das Grundgesetz der Behörde für den Umgang mit politischen Parteien Schranken setzt - schon gar, wenn es um gewählte Abgeordnete geht. Und zweitens, weil man der AfD diesen Gefallen nicht tun sollte. Was könnte eine Partei, deren Erfolg auf der Ablehnung des "Establishments" gründet, Besseres widerfahren, als dass das Establishment ihr den Verfassungsschutz auf den Hals hetzt? Ihre Beobachtung durch den Verfassungsschutz würde die AfD in den Märtyrerstand erheben.

Nein, für die AfD ist ein ganz anderer Verfassungsschutz zuständig. Wer die Verfassung schützen will, die Menschenrechte, die Minderheiten, der muss sich in den politischen Diskurs mit den Populisten begeben. Das ist anstrengend, weil sich die Formen der Debatte verändert haben. Die Rhetorik ist härter geworden, die Wortwahl aggressiver, der Umgang mit der Wahrheit manipulativ. Aber es hilft nichts: Der Ort, wo dieser Staat verteidigt wird, bleibt das öffentliche Forum. Der Verfassungsschutz, das sind alle um den Rechtsstaat und die liberale Demokratie besorgten Bürger.

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