CDU und Flüchtlinge:Warum eine Integrationspflicht nicht funktioniert

Einschulung von Flüchtlingen

Was ist Integration? Auf diese Frage gibt es keine eindeutige Antwort.

(Foto: dpa)

Die CDU will eine Integrationspflicht für Flüchtlinge und ihnen bei Verstößen die Sozialleistungen kürzen. Der Vorschlag ist problematisch.

Von Hannah Beitzer

Was gehört eigentlich zu einer erfolgreichen Integration? Das ist eine Frage, die Politiker, Wissenschaftler, Journalisten und auch Menschen ohne beruflichen Bezug zur Frage seit vielen, vielen Jahren umtreibt. Obwohl sich aber die meisten einig sind, dass Integration von Migranten wichtig ist, gibt es auf die Ausgangsfrage bisher keine eindeutige Antwort.

Vor diesem Hintergrund steht der Plan der CDU, eine "Integrationspflicht" für Flüchtlinge einzuführen, inhaltlich auf unsicherem Boden. Einem Bericht des Spiegel zufolge sollen sich Neuankömmlinge nach Wünschen der Union unter anderem vertraglich dazu verpflichten, die Gleichberechtigung von Mann und Frau und den Vorrang der deutschen Gesetze vor der Scharia anzuerkennen. Diskriminierung von Frauen, Homosexuellen und Andersgläubigen dürfe nicht als Ausdruck religiöser Vielfalt akzeptiert werden, heißt es in dem Artikel. Außerdem sollen die Einwanderer zusichern, das Existenzrecht Israels anzuerkennen. Bei Verstößen sollen Flüchtlingen die Sozialleistungen gekürzt werden können.

Deutsche Gesetze gelten bereits für Flüchtlinge

Die Idee, die dem Spiegel zufolge auf die rheinland-pfälzische CDU-Chefin Julia Klöckner zurück geht, ist aus vielen Gründen problematisch. Zum einen, weil sie eine Selbstverständlichkeit zur Besonderheit erhebt: Denn natürlich gelten deutsche Gesetze jetzt schon für Flüchtlinge genauso wie für Deutsche. Den Holocaust zu leugnen, zur Vernichtung von Juden aufzurufen, ist zum Beispiel in Deutschland verboten. Egal, ob jemand aus Aleppo oder aus Bielefeld kommt. Ebenso ist es in Deutschland verboten, eine Frau zum Sex zu zwingen oder zu schlagen, auch wenn es die eigene Ehefrau ist. Und die Schulpflicht gilt in Deutschland selbstverständlich auch für Mädchen.

Ob alle hier ankommenden Flüchtlinge diese deutschen Gesetze auch kennen, ist dabei eine ganz andere Frage. Sie denjenigen zu vermitteln, auf die das nicht zutrifft, ist zweifellos für ihre Integration notwendig. Einen extra Vertrag braucht es dazu aber nicht.

Schwieriger wird die Vermittlung von Werten wie Gleichberechtigung jenseits bereits bestehender Gesetze. Denn da ist sich ja nicht einmal die deutsche Gesellschaft einig. Der Kommentar über die schlanke Figur der Kollegin - harmloses Kompliment oder sexistischer Übergriff? Es kommt eben drauf an, heißt es da oft. Worauf genau, darüber streiten sich auch Menschen, die in Deutschland geboren sind, bis heute.

Oder, anderes Beispiel: die Hausfrauen-Ehe. Widerspricht sie der Gleichberechtigung der Frau, ist sie ein Ausdruck der persönlichen Wahlfreiheit oder gar ein schützenwerter Zustand? Die Antwort fällt ganz unterschiedlich aus, je nachdem, ob man in Klöckners CDU, der SPD oder bei den Grünen nachhört. In Diskussionen wie diese auch Flüchtlinge einzubinden, ist wichtig und richtig. Ihnen gegenüber jedoch so zu tun, als wäre sie in Deutschland schon fertig verhandelt, wäre für sie eher verwirrend als hilfreich.

Gleichbehandlung von muslimischen und deutschen Antisemiten

Und nicht zuletzt wäre der Vorschlag der CDU auch problematisch, wenn er gegen den Grundsatz verstieße: Vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich. Klöckner nennt als Beispiel für Integrationsverweigerung etwa immer wieder ein persönliches Erlebnis, als ein Imam ihr den Händedruck verweigerte. Das gilt in Deutschland als unhöflich. Verboten ist es jedoch nicht.

Ausschließlich Flüchtlinge, die Sozialleistungen beziehen, für ein derartiges Verhalten zu bestrafen, während es zum Beispiel für einen orthodoxen Juden, der keine Leistungen vom Staat erhält, rechtlich folgenlos bliebe - das wäre ungerecht. Ganz abgesehen davon, dass die Frage, ob in diesem konkreten Fall die Religionsfreiheit des einzelnen oder das Höflichkeitsempfinden der deutschen Mehrheitsgesellschaft schwerer wiegt, gar nicht fertig verhandelt ist, siehe oben.

Und wie ist es bei tatsächlichen Verstößen gegen deutsche Gesetze? Wer etwa den Holocaust leugnet, muss in Deutschland mit Strafverfolgung rechnen. Was den Bezug der Sozialleistungen angeht, sollte eine solche Straftat jedoch für den antisemitischen Islamisten und den deutschen Neonazi keine unterschiedlichen Folgen haben. Integrationsdefizite weist nach Auffassung der Mehrheitsgesellschaft immerhin auch letzterer auf.

Integration wie von der CDU vorgesehen zu erzwingen, das zeigen diese Gedankenspiele, ist schwierig - zumindestens da, wo sie sich jenseits bereits bestehender, klarer Regeln abspielt. Und so bleibt von der Idee häufig nicht viel übrig, außer: In Deutschland muss sich jeder an Gesetze halten.

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