CDU:Der Weg der Mitte ist alternativlos

CDU-Vorsitzende Angela Merkel beim Parteitag

Angela Merkel stimmt bei einem CDU-Parteitag ab. Hinter ihr sitzt Armin Laschet, der ihr in diesem Fall offenbar nicht zustimmt.

(Foto: dpa)

Alle Welt spekuliert, ob die CDU mit einer neuen Parteiführung nach links, nach rechts oder in die Mitte rückt. Diese Diskussion führt in die Irre. Oft war Merkels Schwäche nicht ihr Kurs, sondern wie sie ihn begründet hat.

Kommentar von Stefan Braun, Berlin

Links? Rechts? Mitte? Wer den Wettstreit um den Vorsitz der CDU verfolgt, wer also die neuesten Meldungen und Positionierungen aufnimmt, der staunt, was sich ihm da bietet. Nach den Attacken von Gesundheitsminister Jens Spahn auf die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel und angesichts seiner Lust, sich als harter Bursche zu präsentieren, entsteht ein Bild, das man so kaum erwartet hätte: Rechts der gewollt stramme Jens Spahn. Links die liberale und in der Sozialpolitik ziemlich soziale Annette Kramp-Karrenbauer. Und dazwischen, quasi in der Mitte, ein Friedrich Merz, der "Aufbruch und Erneuerung" verspricht und ziemlich viel über ein solidarisches Europa, mehr Frauen in der CDU und die Verwerflichkeit unsauberer Steuertricks redet.

Merz als Kandidat zwischen den Polen - wer hätte das gedacht, als der frühere Unionsfraktionschef am Montag seine Bereitschaft zur Kandidatur signalisierte. Doch so sehr das als Momentaufnahme richtig sein mag - das Rechts-links-Schema wird der CDU bei der Auswahl ihrer Kandidaten wenig helfen. Ja, es könnte sie in die Irre leiten.

Dass Angela Merkel zu der Entscheidung kam, auf dem Dezember-Parteitag nicht mehr anzutreten, hat nur an der Oberfläche damit zu tun, dass sie vielleicht zu mittig oder zu links war. Sie hat erkannt, dass es schwer wird, weil die CDU dramatisch an Bindekraft verloren hat.

Um das nachzuvollziehen, lohnt ein Blick auf die Wählerwanderungen der vergangenen Wochen: In Bayern und Hessen haben CSU und CDU an die Grünen und an die AfD verloren. Das demonstriert das eigentliche Problem: Die CDU muss wieder Leidenschaft und Anziehungskraft entfalten. Positiv, optimistisch sein - und nicht alles nur schlechtreden.

Das nämlich ist ihre größte Schwäche. Die CSU in Bayern redete nur noch schlecht über die Kanzlerin - und die CDU in Hessen litt darunter, dass die Kanzlerin mit ihrer großen Koalition nach außen ein Bild des Chaos abgab. Die Konsequenz: Die AfD mit ihrer negativen Energie und Aggression sowie die Grünen mit ihrer positiven Leidenschaft entzogen der CDU Stimmen.

Was das bedeutet? Die Christdemokraten dürfen nicht nur auf einen ihrer Grundpfeiler setzen. Liberal, sozial, auch konservativ - alle drei Strömungen sind wichtig und benötigen wieder glaubwürdige Vertreter.

Bayern-Wahl als Lehrstück

Ginge es stattdessen nach Jens Spahn, würde die CDU vor allem aufs Konservative setzen. Der liberale Teil der Union ginge als Verlierer vom Platz. Dies aber würde die Christdemokraten schnurstracks in die Niederlage führen.

Auch hier dient die Bayern-Wahl als Lehrstück: Die CSU hat ihren liberalen Teil verloren; also jenen, zu dem man Theo Waigel, Hans Maier, Barbara Stamm und Alois Glück zählen könnte. Wie konnte die Noch-CSU-Spitze auf die Schnapsidee kommen, diesen Teil derart vor den Kopf zu stoßen?

Wenn Armin Laschet, der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, nun mahnt, seine CDU müsse eine Partei der Mitte bleiben, meint er genau das: Wiederholt nicht den Fehler der Bayern.

Für ihn wie für die Meisten in der CDU geht es vor allem um eines: Sie wollen mehr Mut, mehr Leidenschaft, mehr Erkennbarkeit. Das heißt, dass künftig wieder mehr diskutiert wird; es heißt zweitens, dass das Spektrum in der Führung größer werden muss. Und es bedeutet drittens, dass ein Kurs der Mitte nicht immer als kleiner gemeinsamster Nenner definiert wird.

Will die CDU einen Gewinn aus dem Wechsel an der Spitze ziehen, muss sie sich auf Ideen, Projekte, Experimente einlassen, die nicht tausendfach abgeschliffen und für jeden kompatibel gemacht wurden. Das könnte heißen, dass in der CDU entschlossener sozialpolitisch für einen höheren Mindestlohn und sicherheitspolitisch für einen strengeren Kurs gegen straffällige Asylbewerber gekämpft wird. Und dass Projekte, Ideen, Initiativen wieder selbst entwickelt und begründet werden. Etwa bei der Digitalisierung, dem Klimaschutz oder dem Schicksalsthema Europa.

Wer auch immer die CDU künftig führt, muss dazu bereit sein und dafür sorgen, dass die Partei nicht in jedem Einzelfall, aber im Gesamtangebot eine Partei des Ausgleichs bleibt. Mit einer proeuropäischen, weltoffenen, das Grundgesetz verteidigenden Überzeugung.

Alles andere mag für den Augenblick spektakulär klingen, wird der CDU aber auf Dauer nichts bringen. Nichts außer Plätzen auf den Oppositionsbänken.

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