Bundespräsident:Norbert Lammert, ein idealer Kandidat für die Gauck-Nachfolge

Germany Marks Unity Day With Events In Dresden

Er könnte auch Bundespräsident, das hat Lammert beim Festakt am Montag bewiesen.

(Foto: Sean Gallup/Getty Images)

In Dresden hat er eine große Rede über Deutschland gehalten. Der Bundestagspräsident könnte längst Merkels Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten sein. Doch die CDU-Chefin zögert. Warum eigentlich?

Von Robert Roßmann, Berlin

Norbert Lammert hat in seinem politischen Leben schon schlechtere Zeiten erlebt als die vergangene Woche. Am Montag gelang ihm bei der Feier zum Tag der Einheit eine Rede über Deutschland, über Flüchtlinge und rassistische Pöbler, die enorme Beachtung fand - auch weil man sie als Anleitung zum Umgang mit der AfD verstehen konnte. Das leidenschaftliche Plädoyer für ein selbstbewusstes, weltoffenes und vielfältiges Deutschland hätte es verdient, Pflichtlektüre an den Schulen zu werden.

Am Mittwoch wurde dann auch noch bekannt, dass Lammert mit dem Preis des Vereins "Deutsche Gesellschaft" ausgezeichnet wird. Damit solle "sein herausragendes Engagement zum Abbau von Vorurteilen, sein Werben für Miteinander und gegenseitiges Verständnis" gewürdigt werden, erklärten die Vereinschefs Lothar de Maizière und Franz Müntefering.

Und so stellt sich am Ende dieser Woche die Frage, warum Angela Merkel Lammert noch nicht als CDU-Kandidaten für die Wahl des Bundespräsidenten ins Rennen geschickt hat. Denn schöner als die Deutsche Gesellschaft in ihrer Würdigung kann man das Anforderungsprofil für einen Staatschef kaum beschreiben. Und präsidialer als Lammerts Festvortrag zur Deutschen Einheit kann eine Rede kaum sein.

Sogar die Opposition schätzt den CDU-Mann

An mangelnder Unterstützung in der CDU dürfte Merkels Zurückhaltung nicht liegen. Sogar in der CSU, derzeit nicht immer eine Seele mit der Schwesterpartei, genießt der Bundestagspräsident enormes Vertrauen. Das hat sich bei einem Treffen Horst Seehofers mit den zehn CSU-Bezirksvorsitzenden vor einer Woche gezeigt. Teilnehmerangaben zufolge hat der CSU-Chef dabei in die Runde gefragt, wer der beste Kandidat für die Nachfolge Joachim Gaucks wäre. Dabei sollen die Regionalfürsten fast unisono für Lammert plädiert haben.

Sogar die Oppositionsfraktionen im Bundestag schätzen Lammert. Er hat sich in seinen elf Jahren als Parlamentspräsident immer für die Minderheitenrechte eingesetzt - egal ob es um die Kritiker der Euro-Rettung in der Union oder um Grüne und Linke ging. Anders als etwa Wolfgang Schäuble wird Lammert schon lange nicht mehr als CDU-Parteipolitiker, sondern als präsidialer Patron des Parlaments wahrgenommen. Das heißt zwar noch lange nicht, dass Grüne oder gar Linke Lammert wählen würden. Schaden dürfte ihm diese grundsätzliche Sympathie aber auch nicht.

Vordergründig könnte die Zurückhaltung Merkels an Lammert selbst liegen. Der Bundestagspräsident hat in den vergangenen Wochen mehrmals betont, dass er nicht nach dem höchsten Amt im Staat strebe. Er fühle sich auf dem Stuhl des Bundestagspräsidenten wohl und hoffe, dass der Kelch an ihm vorüber gehe, heißt es auch in seinem Umfeld. Derlei muss jedoch jeder erklären, der im Rennen um die Präsidentschaft nicht verbrannt werden will.

Lammerts Leute verweisen allerdings auch auf seine Frau. Der Bundestagspräsident ist seit 45 Jahren mit Gertrud Lammert verheiratet. Die Frau ist pensionierte Lehrerin, gilt als bodenständig und frei von jeder Sehnsucht, Teil der High Society zu werden - also als eine Art Gegenentwurf zu Bettina Wulff. Gertrud Lammert sei dagegen, das ihr Mann Bundespräsident werde, heißt es in Norbert Lammerts Umfeld. Das Paar lebe in Bochum und habe einen Zweitwohnsitz am Bodensee. Das Bedürfnis von Gertrud Lammert, ihre Zeit in Berlin zu verbringen, sei ausgesprochen klein. Als Frau des Bundestagspräsidenten könne man sich raushalten. Als First Lady würde sie dagegen eine öffentliche Figur, das sei Frau Lammert aber ein Graus.

Das alles mag stimmen. Trotzdem dürfte Lammert nicht Nein sagen, wenn der Ruf nach ihm nur deutlich genug hörbar wäre. Aber diesen Ruf gibt es bisher nicht.

Die SPD hat längst signalisiert, dass sie gerne ihren Außenminister Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue sehen würde, aber von Merkel ist in der Angelegenheit auch vier Monate nach Gaucks Ankündigung, auf eine zweite Amtszeit zu verzichten, noch nichts zu hören. Die Kanzlerin hat sich dafür entschieden, kein Risiko einzugehen, heißt es in der Union von Leuten, die es wissen müssen. Zu groß ist die Sorge Merkels, ihren drei problematischen Präsidentenwahlen könnte wegen der unklaren Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung eine vierte Schmach folgen. Die CDU-Chefin hatte Horst Köhler und Christian Wulff durchgesetzt, beide traten vorzeitig zurück. Und Gauck wurde Merkel gegen ihren Willen aufgezwungen.

Weder Union und FDP noch Rot-Rot-Grün haben die Mehrheit in der Bundesversammlung

Angesichts dieser Erfahrungen setzt die CDU-Chefin diesmal auf eine Vollkasko-Lösung. Merkel möchte um jeden Preis eine Kampfabstimmung vermeiden. Stattdessen wünscht sie sich einen Kandidaten, der mindestens von Union und SPD, wenn möglich auch von den Grünen getragen wird. Der Nachfolger Gaucks wird drei Monate vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen und sieben Monate vor der Bundestagswahl bestimmt. Merkel will nicht riskieren, dass sie mit einem Unionskandidaten scheitert und die Wahlchancen der CDU mindert.

In der Bundesversammlung haben weder Union und FDP, noch Rot-Rot-Grün eine eigene Mehrheit. In einem dritten Wahlgang wäre keine absolute Mehrheit mehr nötig, der Ausgang bei Kampfkandidaturen ist für beide Lager nicht vorhersehbar. Die Bundesversammlung am 12. Februar könnte deshalb ein Ort sein, an dem die Wahlfrauen und -männer auf offener Bühne über den Präsidenten entscheiden, statt nur einen im Hinterzimmer vorbesprochenen Kandidaten zu bestätigen. Die Präsidentschaft von Horst Köhler war beispielsweise in der Berliner Privatwohnung von Guido Westerwelle und nicht in der Bundesversammlung entschieden worden.

Union, SPD und Grüne hätten genügend veritable Kandidaten. Lammert, Steinmeier oder Winfried Kretschmann - jeder von ihnen wäre keine schlechte Wahl. Doch ein offenes Rennen ist Merkel ein Graus. Auch Lammert würde sich vermutlich nur zur Wahl stellen, wenn ihm ein Erfolg sicher ist. Und so dürfte der Bundestagspräsident auch ein guter Bundespräsident sein - ein offizieller Kandidat ist er deshalb aber noch lange nicht.

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