Bürgerkrieg in Syrien:Assad macht den Westen mürbe

Syria's al-Assad says chemical weapons claims a prelude to war

Baschar Al-Assad (rechts) im Interview: "Wenn das Schiff in einen Sturm gerät, flieht der Kapitän nicht."

(Foto: dpa)

Kurz nachdem Syriens Machthaber Assad in einem Interview die Hoffnung auf eine diplomatische Lösung zerstört, greifen seine Truppen die strategisch wichtige Rebellenhochburg Qusayr an. Die Regierung macht damit deutlich: Strategisch geht es ihr um das Kernland, politisch spielt sie auf Zeit. Die internationale Gemeinschaft kann nur machtlos zusehen.

Von Johannes Kuhn

Der Botschaft des Präsidenten folgte der Angriff seiner Armee: Nur wenige Stunden nachdem sich Syriens Machthaber Baschar al-Assad in einem Interview zu Wort gemeldet hatte rückten syrische Regierungstruppen auf die Rebellenhochburg Qusayr vor.

"Die heroischen Kräfte" hätten die "Terroristen" umzingelt und würde deren Stellungen von verschiedenen Seiten angreifen, hieß es im Staatsfernsehen. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte* kamen durch Luftangriffe und Artilleriefeuer mehr als 50 Menschen ums Leben.

Qusayr ist der einer der strategisch wichtigsten Orte im syrischen Bürgerkrieg: Die Stadt in der umkämpften westlichen Provinz Homs liegt nahe der libanesischen Grenze, sie verbindet zudem die Hauptstadt Damaskus mit der syrischen Mittelmeerküste.

Seit mehr als einem Jahr befindet sie sich in der Hand der Rebellen, doch in den vergangenen Wochen hatte die Armee - Berichten zufolge unter tatkräftiger Mithilfe der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah - Ortschaft um Ortschaft rund um die Stadt eingenommen.

Konzentration auf das Kernland

Während in Qusayr offenbar die Entscheidungsschlacht begonnen hat, flimmern weltweit die Bilder eines selbstbewussten, ruhigen Baschar al-Assad über die Fernsehschirme. "Rücktritt wäre Flucht", stellte der im Interview mit der argentinischen Zeitung Clarin fest. Das Land stecke in einer Krise, "aber wenn das Schiff in einen Sturm gerät, flieht der Kapitän nicht."

In der Realität mag das Schiff schon zerbrochen sein, doch mit einem schnellen Untergang Assads rechnet niemand mehr. Das Regime konzentriert seine Bemühungen inzwischen auf das Kernland von Deraa über Homs bis zur Mittelmeerküste.

Dort, rund um die Hafenstadt Latakia, lebt auch ein Großteil der Alawiten, jener schiitischen Minderheit, der auch Assad angehört. Darüber hinaus, so signalisieren die Kämpfe der letzten Wochen, will die Regierung vor allem die Versorgungswege der Rebellen abschneiden.

Wie ein Präsident, der große Teile seines Gebiets für immer verloren hat, agierte Assad bei seinem Auftritt allerdings nicht. Weiterhin hängt jegliche diplomatische Lösung von seiner Regierung ab, die offensichtlich mit einem blutigen Stillstand leben kann. Die von den USA und dem Syrien-Verbündeten Russland vereinbarte internationale Konferenz kanzelte Assad erwartungsgemäß als chancenlos ab, da "viele westliche Länder keine echte Lösung für Syrien wollen" und sich auf eine Intervention vorbereiteten.

Ohnehin könne man nicht mit den zahlreichen Oppositionsgruppen (von Assad traditionell als "Terroristen" bezeichnet) verhandeln, da diese "Verbindungen zur anderen Ländern haben und nicht selbständig entscheiden können" - eine Anspielung auf die Unterstützung der Rebellen durch die Sunniten-Länder Katar und Saudi Arabien. Wie solle beispielsweise eine Entwaffnung von statten gehen, wenn man "nicht von Dutzenden, sondern Hunderten" verschiedener Gruppen rede, so die rhetorische Frage des Machthabers.

Erfolgschancen für Syrien-Konferenz schwinden

Tatsächlich schwinden die Chancen für den Erfolg einer Syrien-Konferenz auch ohne Assads Ablehnung. Weiterhin ist unklar, welche Oppositionsgruppen dort überhaupt vertreten sein sollen. Viele Rebellen halten an der Bedingung eines Assad-Rücktritts für Verhandlungen fest, andere sind als Islamisten für den Westen inakzeptabel, ein weiterer Teil wird der Menschenrechtsverletzungen verdächtigt. Die Zeitschrift Economist listet in ihrer aktuellen Ausgabe alleine zwölf "Schlüsselgruppen" auf, der BBC Nahost-Korrespondent Paul Danahar schlug jüngst vor, die Rebellen statt als "Freie Syrische Armee" lieber "Männer mit Waffen" zu nennen.

A man is seen on a damaged staircase in Homs

Ein Mann läuft am Sonntag in ein zerstörtes Haus in der Stadt Homs: Während es einen großen Teil des Landes verloren hat, konzentriert das Assad-Regime seine Bemühungen auf das dortige Kernland.

(Foto: REUTERS)

Selbst die Ansprechpartner des Westens, deren Einfluss auf die Kämpfer der Rebellen umstritten ist, sind schwer an einen Tisch zu bringen: Die libanesische Zeitung Al-Nahar berichtet von ermüdenden Verhandlungen zwischen der in Istanbul ansässigen Nationalen Syrischen Koalition und dem Nationalen Koordinierungskomitee für demokratischen Wandel.

Letztere gilt als moderate Oppositionsbewegung, die vom Regime bislang noch weitgehend toleriert wird. Dem Bericht zufolge dringt die US-Regierung darauf, dass beide Gruppen mit einer gemeinsamen Delegation an den Verhandlungen teilnehmen.

Doch auch über die Frage, wen Assad zur Konferenz nach Genf schickt und ob, wie von Russland gewünscht, auch Iran an den Gesprächen teilnehmen wird, herrscht Unklarheit. Die bekannt gewordenen Waffensystem-Lieferungen Russlands an Assad haben das Misstrauen zwischen den Organisatoren verstärkt.

Raketen Richtung Tel Aviv

Da passt es ins Bild, dass Bundesaußenminister Guido Westerwelle am Sonntag erklärte, man gehe davon aus, dass die Konferenz "auch durchgeführt wird". Längst wäre schon das Treffen selbst ein Erfolg, an Resultate mag niemand glauben. Die Situation erinnert frappierend an die erste Genfer Syrien-Konferenz im Juni 2012, die ohne die entscheidenden Parteien stattfand und mit einer dünnen, folgenlosen Erklärung endete.

Währenddessen spitzt sich auch die Situation zwischen Syrien und Israel zu, das Anfang des Monats Ziele in Syrien bombadiert hatte, um Waffenlieferungen an die Hisbollah-Miliz zu verhindern. Einem Bericht der Sunday Times zufolge hat Damaskus Boden-Boden-Raketen des Typs "Tischrin" gegen Israel in Stellung gebracht. Im Falle eines erneuten Angriffs durch den Nachbarn, so heißt es, sollen diese auf Tel Aviv gefeuert werden.

*Mehr über die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte finden Sie in diesem Artikel.

Mit Material von dpa.

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