Brüssel verklagt Deutschland wegen Vorratsdaten:Wer Recht nicht umsetzt, bricht es

Deutsche Politiker beschweren sich gerne, wenn ihre europäischen Partner vom gemeinsamen Recht abweichen. Jetzt weigert sich die Bundesregierung jedoch, die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung umzusetzen - aus vorgeschobener Sorge um den Rechtsstaat. Auf das Verfassungsgericht kann sich Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger jedenfalls nicht berufen.

Martin Winter

Nun also müssen die Richter in Luxemburg entscheiden. Und es gibt kaum einen Zweifel, dass sie Deutschland im Streit um die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung verurteilen werden. Wer europäisches Recht nicht in nationales umsetzt, der bricht es.

So weit, so schlecht, aber nicht ungewöhnlich im europäischen Rechtsalltag. Nicht normal allerdings ist der politisch motivierte Umgang der deutschen Justizministerin mit dem europäischen Recht. Sich zu weigern, die Richtlinie umzusetzen, hat nichts mit Sorge um den Rechtsstaat, aber alles mit dem Schielen nach Wählerstimmen zu tun.

Auf das Bundesverfassungsgericht jedenfalls kann sich Sabine Leutheusser-Schnarrenberger nicht berufen. Das hatte nicht die von der EU - mit deutscher Zustimmung - beschlossene Datenspeicherung für grundgesetzwidrig erklärt, sondern Teile des damaligen deutschen Umsetzungsgesetzes. Und das Argument, es sei doch sinnlos, jetzt noch eine Richtlinie umzusetzen, die vielleicht in ein paar Jahren geändert wird, erinnert an einen Koch, der die Hygienevorschriften in seiner Küche mit dem Hinweis missachtet, es würden ja neue Sauberkeitsregeln diskutiert, was solle er sich da noch an die gegenwärtigen halten.

Deutsche Politiker sind groß darin, ihren europäischen Partnern ein entschiedenes "Pacta sunt servanda" zuzurufen, wenn diese mal vom gemeinsamen Recht abweichen. Es wäre schön, wenn auch sie sich selbst daran hielten. Noch kann Berlin der Klage den Boden entziehen, wenn es schnell ein EU-konformes Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung vorlegt. Das deutsche Pochen auf Rechtstreue in der EU wäre dann zumindest etwas glaubwürdiger.

© SZ vom 01.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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