Britischer Außenminister:Boris' außenpolitische Peinlichkeiten

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Tokio 2015: Boris Johnson rammt beim Straßen-Rugby einen zehnjährigen japanischen Jungen um. (Foto: AP)

Er beleidigt Obama und Clinton. Er spricht von "Negerkindern". Und er schmäht Erdoğan mit einem eigenen Gedicht. Neun Beispiele dafür, wie sich Boris Johnson außenpolitisch blamierte.

Von Oliver Das Gupta

Der Elefant im Porzellanladen. Der Mann, der keinen Fettnapf auslässt. Einer, der auf dem glatten Parkett der Diplomatie ausrutscht. Das sind lauter Phrasen, die man als Verfasser eines Textes tunlichst nicht verwenden sollte.

Hier stehen sie trotzdem. Sie passen zu gut auf Boris Johnson, den neuen britischen Außenminister. Was auch immer die frisch ins Amt berufene Premierministerin Theresa May dazu bewogen hat, Londons früheren Bürgermeister zum Chefdiplomaten zu machen: Mit Johnsons Berufung sind außenpolitische Skandale und diplomatische Verwicklungen Londons nahezu so zuverlässig zu erwarten wie der Glockenschlag von Big Ben.

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Johnson scheint bislang kein festes außenpolitisches Profil zu haben. Zwei klare Konstanten gibt es allerdings: Auf Großbritannien lässt er nichts kommen. Und: Seit Jahren rüpelt er auch international herum. Regelmäßig düpiert Johnson Gastgeber und Gäste, beleidigt Staats- und Regierungschefs oder schafft es zumindest, Irritationen hervorzurufen. Davon ist auch das traditionell enge Verhältnis zu den USA nicht ausgenommen.

Eine Auswahl Johnsons außenpolitischer Fehltritte:

  • Europäische Union. Der in der Bevölkerung populäre Boris Johnson hat maßgeblichen Anteil am Brexit-Votum. Während der Anti-EU-Kampagne unterstellt er Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker "Betrügerei". Er wirft der EU vor, einen europäischen Superstaat gründen zu wollen. Um seiner Warnung größeren Wumms zu verleihen, vergleicht Johnson die EU mit Napoleon und Hitler. Denn auch die hätten ja versucht, Macht über ganz Europa zu erlangen.
  • Afrika. Die Zeit, als London über ein globales Kolonialreich herrschte, sind zwar längst vorbei, die früheren Kolonien sind nur noch lose durch das Commonwealth verbunden. Johnson aber pflegt nach wie vor koloniale Attitüden. 2002 sagt er, die Queen würde auch deshalb das Commonwealth lieben, weil ihr "Negerkinder" zujubelten. Im selben Jahr frotzelt er angesichts einer Afrika-Reise des damaligen Premiers Tony Blair: "Die Heiden werden aufhören, menschliches Fleisch zu hacken und die Stammeskrieger werden ihr Wassermelonen-Lächeln aufsetzen, um den großen weißen Chef zu sehen."
  • Barack Obama. Als der US-Präsident sich für einen Verbleib des Vereinigten Königreichs in der EU ausspricht, kanzelt ihn der Brexit-Anhänger Johnson ab. Obamas Haltung sei "absolut heuchlerisch". Als Obama nach Einzug ins Weiße Haus 2009 eine Büste des britischen Kriegspremiers Winston Churchill aus dem Oval Office entfernen lässt, hat Johnson folgende Erklärung: Der "halbkenianische Präsident" habe "angeborene Antipathien" gegen Churchill. Ein andernmal passt er den US-Präsidenten auf einem Bankett ab und fordert einen "Scheck über fünf Millionen Dollar" - als City-Maut für amerikanische Diplomatenfahrzeuge in London.
  • Erster Weltkrieg. 100 Jahre nach Ausbruch des globalen Gemetzels gibt Johnson den Deutschen die alleinige Schuld am Kriegsausbruch. Das Attentat auf den österreichischen Thronfolger in Sarajewo und den anschließende Dominoeffekt der Großmächte (hier mehr dazu) verkürzt Johnson auf einen einzigen Satz: "Warum musste man ein bisschen Remmidemmi in Sarajewo mit der Invasion Frankreichs beantworten, um Gottes Willen?"
  • China. Am Ende der Olympischen Spiele von Peking bekommt Johnson als Bürgermeister der nächsten Spielstätte die olympische Flagge in die Hände. Er läuft damit durch das Stadion und schwenkt sie, als ob er unter Drogen stünde. Den chinesischen Gastgebern erklärt er, dass fast alle Sportarten von Briten erfunden worden seien - auch Tischtennis. China würde zu Unrecht die Urheberschaft beanspruchen. Bereits 2005 düpierte er die chinesische Regierung in einem Interview mit dem Telegraph: Verglichen mit dem alten britischen Empire und dem neuen amerikanischen Imperium sei der kulturelle Einfluss Chinas "praktisch Null" - und es sei "unwahrscheinlich, dass er zunehmen" werde.
  • Hillary Clinton. Bereits 2008 stellt Johnson klar, was er von der US-Demokratin hält, die im November gute Chancen hat, US-Präsidentin zu werden. Politisch repräsentiere sie das Gegenteil von dem, wofür er stehe, schreibt Johnson in einem Artikel. Clintons Aussehen erinnere ihn an eine "sadistische Krankenschwester in einem Irrenhaus". Ihrem Einzug ins Weiße Haus könnte Johnson nach eigenen Worten trotzdem etwas abgewinnen: An ihrer Seite wäre Bill, Ehemann und Ex-Präsident, wieder im Zentrum der Macht in Washington.
  • Donald Trump und George W. Bush. Johnson, der in den USA geboren ist und neben der britischen auch die amerikanische Staatsbürgerschaft besitzt, hat auch etwas gegen konservative US-Politiker. Ex-Präsident Bush hält er für einen "schielenden Kriegstreiber", den "Inbegriff arroganter US-Außenpolitik". Als Präsidentschaftskandidat Donald Trump London als eine gefährliche Stadt bezeichnet, hält ihm Johnson als Bürgermeister vor, "völligen Blödsinn" zu verbreiten. Er meide einige Teile New Yorks, "weil dort das Risiko besteht, Donald Trump zu treffen".
  • Neuguinea: Mit Blick auf Intrigen seiner Konservativen schreibt Johnson 2006: Die Torys seien zu einer Partei geworden, in der es "neuguinea-artige Orgien, Kannibalismus und Häuptlingsmorde" gebe. Als sich die diplomatische Vertreterin des Staates Neuguinea in London beschwert, entschuldigt sich Johnson und nennt seine Inspirationsquelle: Ein Buch mit Fotos von Ureinwohnern in Neuguinea - Bilder aus den fünfziger oder sechziger Jahren.
  • Angela Merkel und Recep Tayyip Erdoğan. Johnson hat deutsche Vorfahren und unter anderem einen türkischen Urgroßvater. Einmal sagt er sogar, er sei "Türke". Das hält ihn aber keineswegs davon ab, die deutsche Kanzlerin und den türkischen Staatspräsidenten hart anzugehen. Die Erlaubnis Merkels, gegen Jan Böhmermann wegen seines Schmähgedichtes auf Erdoğan zu ermitteln, nennt er "widerlich". Johnson dichtet ein paar eigene Verse auf Erdoğan und eine Ziege. Darin kreiert er aus den Worten "Wanderer" und "Wanker" (zu deutsch: Wichser) den Begriff "wankerer". So reimt es sich schön auf Ankara.

Jan Böhmermann reagierte seinerseits unmittelbar nach Johnsons Berufung entsprechend mit einer Variation von Johnsons Gedicht. Diesmal ist der "terrific wankera" Johnson - der als Außenminister vor seiner ersten Visite in der türkischen Hauptstadt steht.

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