Brexit:In Straßburg zeigt sich die britische Spaltung

Brexit - Straßburg

Nigel Farage: "Wenn ihr uns in ein zweites Referendum aufdrängt, dann werden wir es mit einer noch größeren Mehrheit als beim letzten Mal gewinnen."

(Foto: dpa)

Das Europäische Parlament weiß keine Lösung für das Brexit-Dilemma der Briten. Eine deutliche Warnung vor einem neuen Referendum kommt von Nigel Farage.

Von Karoline Meta Beisel, Straßburg

Im Europäischen Parlament in Straßburg sitzen sie am Morgen nach der Entscheidung in London zwar ratlos, dafür aber alle miteinander auf ihren blauen Stühlen: Die Briten und die Franzosen, die Deutschen und die Iren, die Belgier und die Italiener. Wie soll, wie kann es nun weitergehen?

In den vergangenen Wochen war die Brexit-Debatte vor allem dadurch gekennzeichnet, dass die Europäische Union und die Briten viel über-, aber wenig miteinander redeten: In London warb Theresa May um Stimmen in ihrem eigenen Land - vergeblich, wie man inzwischen weiß. In Brüssel berieten die Politiker der anderen Mitgliedstaaten ihrerseits, wie weit man sich wohl auf May zubewegen könne.

Nun, am Mittwochmorgen im Europäischen Parlament, ist eine Botschaft sehr klar zu vernehmen, und sie äußert sich in für Straßburger Verhältnisse extrem langem Applaus: Michel Barnier, der Verhandlungsführer des Europäischen Parlaments hat seine Sache bis hierher sehr gut gemacht, darin sind sich fast alle einig. Sogar ein Brexit-Befürworter hat eine Art Lob für Barnier übrig: An seiner maßvollen Rede gebe es "kaum etwas zu kritisieren", sagt Syed Kamall, konservativer Brite im Europäischen Parlament. Barnier nimmt den Applaus fast ohne Regung entgegen, nur einmal schließt er kurz die Augen und legt die Hand aufs Herz. Fast macht er den Eindruck, als wolle er sagen: Es ist noch zu früh für diesen Dank, die Geschichte ist noch nicht ausgestanden.

Zuvor hat Barnier in seiner Rede noch einmal für jenen Deal geworben, der am Abend zuvor in London gescheitert war: "Natürlich ist er das Ergebnis eines Kompromisses, aber das ist der bestmögliche Kompromiss", sagte er. Nach der gescheiterten Abstimmung in London sei die Gefahr eines ungeordneten Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union so groß wie nie. Solange aber kein Ausgang aus der "britischen Sackgasse" gefunden sei, sei man nicht in der Lage, weiterzumachen. "Deswegen müssen die anstehenden Etappen jetzt von der britischen Regierung dargelegt werden", sagte er.

Timmermans empfiehlt den Briten die "Rolling Stones"

Eine Einschätzung, die viele Parlamentarier in ihren Wortmeldungen teilen. Die Abstimmung am Abend sei ein Zeichen dafür gewesen, was die Briten nicht wollten. Nun sei es an der Zeit, positiv zu formulieren, was man will, notfalls auch durch ein Referendum. "Wenn das Haus keine positive Mehrheit findet, dann muss das Volk befragt werden", sagt etwa der belgische Ko-Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Philippe Lamberts. Die britische Grüne Molly Scott Cato sagt: "Es ist nur richtig, dass die Entscheidung an das Volk zurückgeht." "Wenn das Parlament keinen Weg nach vorne findet, dann muss das Volk befragt werden", sagt auch der italienische Sozialdemokrat Roberto Gualtieri, der als Mitglied der sogennanten "Brexit Steering Group" des Parlaments an den Verhandlungen mit Großbritannien teilnimmt.

Eine deutliche Warnung vor so einem neuen Referendum kommt dagegen von Nigel Farage, einem der heftigsten Brexit-Befürworter: "Wenn ihr uns ein zweites Referendum aufdrängt, dann werden wir es mit einer noch größeren Mehrheit als beim letzten Mal gewinnen", sagt er. Vor dem ersten Brexit-Referendum hätten die Europäer ja auch erwartet, dass es zu ihren Gunsten ausgehe. Wenn Theresa May auch nur einen Hauch von Anstand in sich trage, dann "wäre sie bis zum Mittagessen weg", so Farage.

So zeigt sich die innerbritische Spaltung, die die Abstimmung am Dienstagabend offengelegt hat, am Mittwoch auch im Europäischen Parlament. Auf die Frage, ob er eine Rückfrage eines Brexit-Befürworters auf seinen Wortbeitrag zulasse, antwortet der Schotte Alyn Smith, er werde auf den britischen Oppositionsführer Jeremy Corbyn "keinen Hauch mehr Sauerstoff verwenden als er verdient hat" - und erntet dafür Applaus und begeistertes Händeschütteln von seinen Nebensitzern.

Wie genau es aber nun weitergehen soll, darauf findet das Europäische Parlament am Mittwoch auch noch keine Antwort. Immerhin schließt der Vize-Kommissionsvorsitzende Frans Timmermans die Debatte mit einem praktischen Vorschlag an die Briten. Sie sollten es doch halten wie die Rolling Stones in ihrem Lied: "Ihr könnt nicht immer alles haben, was ihr wollt, aber wenn ihr es versucht, stellt ihr vielleicht fest, dass ihr genau das bekommt, was ihr braucht."

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