Brexit:Das Unterhaus sucht einen Kompromiss

Brexit: Blick ins britische Unterhaus

Blick ins britische Unterhaus

(Foto: AFP)
  • Im britischen Unterhaus ergreifen die Abgeordneten selbst die Initiative im Brexit-Chaos und haben mehrere Anträge vorgelegt, die Mays Regierung Anweisungen geben sollen.
  • Bei dem Prozess kommt Speaker John Bercow eine wichtige Rolle zu: Er entscheidet, über welche Anträge abgestimmt wird.
  • Auch ein zweites Referendum steht als Möglichkeit weiter im Raum.

Von Cathrin Kahlweit, London

Nachdem Theresa Mays jüngster Auftritt vor dem Unterhaus am Montag vor allem Ratlosigkeit und Empörung hervorgerufen hatte, weil die Premierministerin keine neuen Ideen zum Brexit-Prozess vorlegen konnte, machen sich jetzt wieder die britischen Parlamentarier an die Arbeit. Am kommenden Dienstag findet eine Sitzung zur nächsten Regierungsvorlage über ein EU-Austrittsgesetz statt, und zahlreiche Abgeordnete haben beschlossen, die Suche nach einem Kompromiss nun selbst in die Hand zu nehmen. Sechs Anträge liegen bisher für eine Abstimmung vor, die die Regierung in ihren Verhandlungen mit Brüssel mit Anweisungen versehen sollen. Welche davon letztlich zur Abstimmung gestellt werden, entscheidet im britischen Unterhaus der Speaker, John Bercow.

Die Regierung hatte die erste Abstimmung zum vorliegenden Brexit-Vertrag mit der EU am 15. Januar so hoch verloren, dass selbst im Kabinett niemand mehr daran glaubt, die Premierministerin könnte für eine zweite Abstimmung genügend Parteifreunde auf ihre Seite ziehen. Mays Ankündigung, sie werde in Brüssel erneut um Zusicherungen für einen zeitlich begrenzten Backstopp für Nordirland kämpfen, mit dem der Nordteil der Insel im Falle gescheiterter Verhandlungen über einen Handelsvertrag erst einmal in Zollunion und Binnenmarkt bliebe, hat die Skepsis gegenüber Mays Vorgehen nur verstärkt.

Deshalb will eine Gruppe um die Labour-Abgeordnete Yvette Cooper kommende Woche über einen Antrag abstimmen lassen, nach dem der Brexit bis zum Jahresende verschoben würde, wenn es bis Ende Februar keine gemeinsame Lösung gibt. Der Tory-Abgeordnete und Europafreund Dominic Grieve wiederum möchte es den Abgeordneten ermöglichen, endlich über verschiedene Brexit-Modelle abstimmen zu können, um den Meinungsbildungsprozess im Unterhaus zu befördern und herauszufinden, welche Kompromisse eine Mehrheit finden würden. Den umstrittenen Plan, dass zur Durchsetzung dieses Vorgehens eine Minderheit von nur 300 Abgeordneten aus fünf Parteien, darunter zehn Tories, ausreichen würde, hat Grieve mittlerweile offenbar fallen gelassen.

Jeremy Corbyn, Chef der Labour-Party, will im Namen der Sozialisten einen Antrag zur Abstimmung stellen, nach dem das Unterhaus einen Weg zur Verhinderung des vertragslosen Austritts aus der EU, des sogenannten No Deal, festlegt, und zugleich über andere Lösungen als den von May favorisierten Vertrag debattiert. Dazu könnte dann auch ein zweites Referendum gehören, das die Parteiführung bisher zu verhindern versucht. Brexit-Minister Stephen Barclay hat das Unterhaus am Dienstag derweil gewarnt, eine Verschiebung des Austritts vom 29. März sei nicht ganz einfach. Die EU werde womöglich nicht zustimmen, wenn es nur darum gehe, weiter eine Lösung zu suchen, die sich aber nicht abzeichne.

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