Bremen:Links geht was

Bremen - Politiker von Rot-Grün-Rot präsentieren 2019 den Koalitionsvertrag

Alexandra Werwath, Landesvorstandssprecherin Grüne Bremen, Sascha Karolin Aulepp, Vorsitzende SPD-Landesvorstand, und Felix Pithan, Landessprecher Linke Bremen, halten den Entwurf des Koalitionsvertrags in ihren Händen.

(Foto: dpa)

Eine rot-grün-rote Landesregierung im Westen setzt ein Zeichen - weit über Bremen hinaus.

Kommentar von Ferdos Forudastan

So wenig sich bisher absehen lässt, wie es mit Bremen weitergeht - dass der Stadtstaat keine leichten Zeiten vor sich hat, liegt auf der Hand. Ihn plagen massive wirtschaftliche Schwierigkeiten, er ächzt unter Wohnungsmangel oder Kinderarmut. Hinzu kommt, dass Union, FDP und AfD es sich nicht werden entgehen lassen, den künftigen rot-grün-roten Senat außerordentlich scharf zu beäugen und kritisch zu kommentieren, sobald sich ihnen eine Gelegenheit dazu bietet.

Eine solche Gelegenheit hätte die Opposition gesehen, wenn der bisherige Bürgermeister Carsten Sieling auf seinem Posten geblieben wäre. Dass er ihn räumt, nimmt den Kritikern schon mal ein bisschen etwas von dem Wind aus den Segeln, mit dem sie fest gerechnet hatten. Den Vorwurf, da klebe ein Wahlverlierer an der Macht, können sie zwar noch immer gegen seine SPD, aber - was effektvoller gewesen wäre - nicht mehr gegen Sieling persönlich erheben. Der Schritt des Bürgermeisters ist taktisch klug. Und er ist honorig. Sieling saß zwar viel zu kurz im Rathaus, um an den Problemen Bremens maßgeblich schuld zu sein. Außerdem kann man dem Sozialdemokraten die katastrophale Lage seiner Partei längst nicht allein anlasten. Dennoch übernimmt er die Verantwortung dafür, dass die Wähler seine SPD nach 70 Jahren als führende Regierungspartei auf Platz zwei hinter der Union verwiesen haben. Und er ermöglicht einen Neuanfang an der Spitze des Senats.

Ganz ohne Sieling findet dieser Neuanfang allerdings nicht statt. Dass SPD, Grüne und Linke recht rasch und reibungsarm ihren Koalitionsvertrag ausgehandelt haben, ist nicht zuletzt sein Verdienst. An der Basis der Bündnispartner wird das Papier sicher nicht scheitern. Ob es freilich gelingt, auf seiner Grundlage die gravierenden Probleme des Stadtstaates zu lösen, ist noch schwer abzuschätzen.

Was sich zu diesem Zeitpunkt aber sicher sagen lässt: Rot-Grün-Rot setzt ein Zeichen über Bremen hinaus - und das zu Recht. Die Regierung aus SPD, Grünen und Linken kann zeigen, dass diese Konstellation auch im Westen funktioniert. Sie hat die Chance, im ganz Kleinen zu versuchen, was im ganz Großen angegangen werden muss: ein ökologischer Umbau der Industriegesellschaft. Das künftige Regierungsbündnis in Bremen wird vieles zwar nicht unabhängig von der Bundesebene zu entscheiden und zu gestalten vermögen. Aber sein Spielraum ist groß genug, um etwa den Klimaschutz ernster zu nehmen als bisher und ihn stärker mit der sozialen Frage zu verbinden als in der Vergangenheit.

Für diese Zukunftsaufgabe haben sich besonders die Grünen und, später und weniger weitgehend, auch SPD und Linke starkgemacht. Der Beweis dafür, dass die Anliegen in einer Koalition aus diesen drei Parteien nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch besser aufgehoben sind als in einem schwarz-grünen oder gar schwarz-grün-gelben Bündnis, steht freilich noch eine ganze Weile lang aus.

Bis zur nächsten Bundestagswahl wird Bremen diesen Beweis ebenso wenig erbringen können wie sein Gegenteil. Außerdem taugt der Stadtstaat mit seinen etwa 600 000 Einwohnern, seiner ziemlich pragmatischen Linken, seiner nicht ganz so schwachen SPD schwerlich als richtiggehendes Modell für die gesamte Republik. Von Bremen geht so erst mal nur diese Botschaft aus: Ein Linksbündnis ist möglich. Nicht mehr und nicht weniger.

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