Brandanschlag von Tröglitz:Wer schweigt, überlässt den Brandstiftern das Feld

Brand in zukünftiger Asylbewerberunterkunft

Brand in zukünftiger Asylbewerberunterkunft: Sachsens-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU, 2.v.r.) spricht in Tröglitz auf einer Kundgebung mit dem Motto "Miteinander, Füreinander"

(Foto: dpa)

In Tröglitz brennt ein Haus, in das Flüchtlinge einziehen sollten. Gegen den Hass der Brandstifter wenden sich viele Menschen mit Offenheit - jetzt erst recht, kein Schritt zurück. Darin liegt auch ein Aufruf an die Unbeteiligten, die Zweifelnden: Überwindet Euch endlich, bringt Euch ein, im Guten.

Kommentar von Cornelius Pollmer, Dresden

Es gibt einen Brandanschlag auf ein Haus, in dem bald Asylbewerber leben sollen. Dieser Satz sollte indiskutabel sein, sollte nicht mehr sein als ein wirrer Gedanke, ein geistiges Strohfeuer, Fiktion. Dieser Satz aber fühlt sich nun indiskutabel in einem anderen Sinne an, denn er ist Realität geworden, in der Nacht auf Samstag, in Tröglitz. Der Satz fühlt sich indiskutabel an, weil man diese Nachricht als irgendwie vernunftbegabter Mensch nur mit Trauer, Wut und Ratlosigkeit aufnehmen kann. Wie aber wollte und könnte man mit Worten Menschen erreichen, deren Oberstübchen so heftig in Flammen steht, dass sie tatsächlich ein Haus anzünden?

Die Ungleichheit der Waffen sieht am Tag nach dem Brandanschlag in Tröglitz wie folgt aus: Auf der einen Seite ist der Hass, er hat einen verkohlten Dachstuhl zurückgelassen und jede Menge Angst. Auf der anderen Seite steht das fortwährende Bemühen um Offenheit, sein Banner ist ein bunt bemaltes Laken mit Handabdrücken und dem Slogan "Miteinander Füreinander". Das ist ein Handicap-Match, aber es ist noch nicht verloren.

Warum waren es nur 300?

An einem Montag im vergangenen November erschien in der Sächsischen Zeitung ein Essay. Pegida schwoll in Dresden gerade zu einer Bewegung der Vielen an, der Autor diagnostizierte: "Hier manifestieren sich Sorgen, die eine Gesellschaft offen diskutieren muss. Bevor sich jene drum kümmern, die solche Heime am liebsten abfackeln würden." Allem Anschein nach haben sich in Tröglitz jetzt die Fackelträger gekümmert. Und wer sich als Teil der Gesellschaft versteht, in Tröglitz wie überall sonst, der sollte nun mehr diskutieren und mehr für Offenheit einstehen denn je. Wer verstummt und sich zurückzieht, der überlässt jenen das Feld, die nie reden wollten.

Natürlich ist Tröglitz kein dunkelbrauner Fleck, das ist es genauso wenig wie der Osten en gros. Es muss trotzdem diskutiert werden, welche sozialen Besonderheiten des Ostens Vorfälle wie in Tröglitz zuweilen begünstigen. Natürlich ist es ein gutes Zeichen, wenn nach dem Anschlag immerhin 300 wehrhafte Menschen zusammenkommen und zusammenstehen. Es muss trotzdem gefragt werden, warum es eben nur 300 waren, warum also nicht doppelt oder dreimal so viele.

Natürlich ist es gut, wenn Ministerpräsident Haseloff und andere zügig und mit fester Stimme sagen: jetzt erst recht, kein Schritt zurück. Es muss trotzdem darüber gesprochen werden, wie es Flüchtlingen in Tröglitz einmal ermöglicht werden kann, sich abends in größtmöglicher Ruhe schlafen zu legen. Und zwar nicht nur bei ihrer Ankunft, sondern selbstverständlich jeden verdammten Tag und jede verdammte Nacht.

Es gab also einen Brandanschlag auf ein Haus, in dem bald Asylbewerber leben sollen. Es gibt Trauer, Wut, Ratlosigkeit. Und wenn es überhaupt etwas Gutes gibt an diesem Anschlag, dann sind es die unmissverständlichen Botschaften, die sich daraus ableiten. An die Engagierten lautet diese Botschaft: Macht weiter, ihr werdet gebraucht. An die Unbeteiligten und Zweifelnden lautet der Handlungsauftrag: Überwindet Euch endlich, bringt Euch ein, im Guten.

Gibt es auch eine Botschaft an die Hassenden, die geistigen und tatsächlichen Brandstifter? Im diesen Tagen eher nicht. Sie haben ihr Recht auf Aufmerksamkeit verwirkt.

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