Guido Westerwelle in Afghanistan:Feldzug in eigenem Interesse

Es ist Afghanistan-Saison in der deutschen Politik: Nach der Kanzlerin und dem Verteidigungsminister hat sich auch Guido Westerwelle im Feldlager der Bundeswehr in Kundus gezeigt.

Daniel Brössler, Kundus

Der Bundesaußenminister ist zu Besuch, und angetreten zur Begrüßung ist ein Fallschirmjäger-Zug aus Seedorf in Niedersachsen. In den nächsten zwei, drei Wochen würden die Männer zurück nach Deutschland verlegt, erfährt Guido Westerwelle, dann muss er ein paar Worte sagen. Er dankt den Soldaten für ihre Arbeit in Afghanistan, die "gefährlich und entbehrungsreich" sei und spricht davon, dass man stolz sei auf sie.

Westerwellen in Kundus

Außenminister Guido Westerwelle im Gespräch mit einem Soldaten: In Kundus betont Westerwelle, dass er 2014 die Sicherheitsverantwortung an die Afghanen übergeben wolle.

(Foto: dpa)

"Jetzt will ich Sie gerne noch fragen, wie Sie die Lage so sehen", sagt Westerwelle. Ob jemand mutig genug sei, hakt der Minister nach, trotz der anwesenden Journalisten. Schweigen. "Das kann ich gut verstehen", teilt Westerwelle mit, dann setze man das Gespräch eben fort, wenn die "Vertreter der vierten Gewalt ihre Arbeit unterbrechen".

Als vor ein paar Wochen die Kanzlerin in hier in Kundus war, da hatte sie sich viel mit Soldaten unterhalten, gerne auch vor Reportern. Westerwelle wusste, dass es Zeit war, sich im deutschen Feldlager zu zeigen. Sich hier unbefangen zu bewegen, versteht Westerwelle aber nicht: Er trägt einen dunklen Anzug und eine violette Krawatte. Westerwelle war als Außenminister bisher dreimal in Afghanistan, in Kundus ist er aber zum ersten Mal.

An diesem Mittwoch will die Bundesregierung die Verlängerung des Einsatzes in Afghanistan beschließen. Am 28. Januar wird darüber im Bundestag abgestimmt. Es ist deshalb Afghanistan-Saison in der deutschen Politik. Vor Weihnachten besuchte Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) die Truppe gleich zwei Mal, einmal an der Seite seiner Gattin, einmal an der Seite der Kanzlerin. Westerwelle ist der jüngste, aber vermutlich nicht der letzte Berliner Besuch vor der Mandatsverlängerung.

Er hoffe auf eine große überparteiliche Mehrheit, sagt Westerwelle. "Ich glaube, dass die Männer und Frauen der Bundeswehr ein Recht darauf haben, dass sie eine große Rückendeckung bekommen vom Parlament", fügt er hinzu. Mit der kann er von Seiten der Opposition auch rechnen, zumindest was die SPD betrifft. Sie hat Zustimmung signalisiert für den Fall, dass ein Beginn des Rückzugs noch 2011 angepeilt wird. Der in der Bundesregierung ausgehandelte Mandatstext nimmt Rücksicht auf diese Forderung, wenn auch verklausuliert. In Kundus spricht Westerwelle von einer "Rückführung des Kontingents" und auch vom Ziel, die "Sicherheitsverantwortung" 2014 vollständig an die Afghanen zu übergeben. Er gibt aber auch zu, wie schwierig die Lage derzeit ist.

Westerwelles gefühlter Krieg

Zu Beginn seines Besuches tritt er an den Ehrenhain für die in Kundus gefallenen Soldaten. 18 Messingtafeln sind hier. "Natürlich geht es ans Herz, wenn unsere Soldaten hier ihren Kopf hinhalten, damit wir in Freiheit leben", sagt der Außenminister später. Er sei klar, dass die Soldaten die Situation als "Krieg" empfänden, räumt Westerwelle auch ein. Als Außenminister müsse er bei solchen Begriffen aber auch an die völkerrechtlichen Folgen denken. Dafür, glaubt er, habe "jeder Verständnis".

Sicherheitshalber aber sind die Soldaten der Bundeswehr angehalten, den Besuch des Außenministers nicht zu kommentieren. 1124 Deutsche sind es, die in Kundus Dienst tun. Steigend ist die Zahl der Amerikaner, es sind etwa 1500. Die Zusammenarbeit sei sehr gut, lobt der Kommandeur, Generalmajor Hans-Werner Fritz, im Gespräch mit Westerwelle. Klaglos würden sie auch Befehle von einem Deutschen entgegen nehmen, sagt er. "Die Amerikaner akzeptieren die deutsche Führung ohne Wenn und Aber?", fragt Westerwelle erfreut nach. Der Generalmajor bestätigt es. In der Nacht haben die US-Soldaten eine Operation gegen Aufständische in der Region durchgeführt. Die Deutschen, so ist zu hören, waren nicht beteiligt.

Man würde sich freuen, wenn alle in Kundus stationierten Nationen Sitten und Gebräuche des Landes so gut akzeptieren würden wie die Deutschen, lobt der neue Provinz-Gouverneur Mohammad Anwar Jegdalek nach einem Gespräch mit Westerwelle. Jegdalek ist erst seit wenigen Tagen im Amt, sein Vorgänger war im Oktober bei einem Anschlag in einer Moschee getötet worden. Den Deutschen dankt der Neue für die "großartige" Unterstützung. "Wenn keine deutschen Soldaten mehr hier sind, wollen wir, dass die Unternehmer bleiben", sagt Jegdalek. Wann aber kein deutscher Soldat mehr in Afghanistan sein wird, dazu freilich sagt Westerwelle nichts. "Wir werden unsere Freunde und Partner", verspricht er nur, "auch in Zukunft nicht vergessen."

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