Auschwitz-Kommandant Rudolf Höß:Am Ehering erkannt

Rudolf Höß, 1946

Rudolf Höß 1946 nach seiner Verurteilung im Kriegsverbrecherprozeß von Nürnberg am Flughafen der fränkischen Stadt. Dort übergeben ihn die Amerikaner an polnische Soldaten. Höß wird später in Auschwitz hingerichtet.

(Foto: US-ARMY)

Als britischer Offizier suchte und fand ein deutscher Jude den Kommandanten des KZ Auschwitz, Rudolf Höß. Ein neues Buch dokumentiert die Lebensläufe der beiden Männer - und das dramatische Finale.

Rezension von Igal Avidan

Es war stockdunkel als die drei Männer energisch an das Tor der Scheune des entfernten Bauernhofes kurz vor der dänischen Grenze klopften. Ein Bewohner öffnete die Tür. Ohne jegliche Warnung stieß ihm der große, gut aussehende Captain die Pistole in den Mund und hielt ihn fest, während ein Militärarzt ihn nach Giftkapseln durchsuchte.

Der britische Soldat forderte in perfektem Deutsch den Ehering des Mannes, der sich als Fritz Lang ausgewiesen hatte. Der Ehering sei zu eng? "Dann schneide ich dir einfach den Finger ab", drohte der Offizier.

Einer seiner Männer brachte ein Küchenmesser und ging auf den Mann zu. Zögernd streifte er den Ring vom Finger. Der Soldat hielt ihn gegen das Licht: Auf der Innenseite las er die eingravierten Namen: "Rudolf und Hedwig".

Der jüdische Emigrant Hanns Alexander ließ den Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höß, der für die Ermordung von mehr als einer Million Menschen, überwiegend Juden, verantwortlich war, festnehmen. Nur wenige Stunden später legte Höß ein Geständnis ab: Er sei verantwortlich für diese Tötungen.

Ein Porträt zweier Menschen: Hanns und Rudolf

Was veranlasste Hanns Alexander auf eigene Initiative den Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höß monatelang zu jagen? Diese Frage interessierte Alexanders Großneffen Thomas Harding nicht zuletzt, weil zunächst keiner in der Familie daran glaubte, dass der liebe Onkel ein Nazi-Jäger war.

Später ging Harding der Frage nach, wie ein normaler Mann zu einem der größten Massenmörder in der Geschichte wird. Schließlich traf er die richtige Entscheidung, nicht einen Helden und einen Schurken, sondern zwei Menschen zu porträtieren: Hanns und Rudolf. Deren so verschiedene Lebensläufe erzählt er parallel, spannend und aus nächster Nähe - auf der Grundlage historischer Unterlagen, Familienbriefe und Interviews, unter anderem mit Höß' Tochter.

Als Hanns 1917 geboren wurde, kämpfte Rudolf für den Kaiser in Palästina und wurde in Jerusalem verletzt. Als Hanns mit berühmten Patienten seines Vaters wie Albert Einstein oder Richard Strauss einen Streich spielte, saß Rudolf als Mitglied eines nationalistischen paramilitärischen Freikorps in Haft wegen Mordes an einem früheren Kameraden. Als Rudolf im KZ Dachau einen höheren Posten erhielt, floh Hanns aus Nazi-Deutschland. Als Rudolf auf der Flucht war, verfolgte ihn der britische Offizier Hanns und nahm ihn fest.

Dies ist eine deutsche und eine jüdische Geschichte Deutschlands der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Vor allem aber ist es die Geschichte zweier Menschen: die eines skrupellosen Karrieristen, der weder Moral noch Ethik kannte, sondern nur Befehle - und die eines eigenwilligen und mutigen Soldaten, der Befehle umging, im Namen der Gerechtigkeit.

Thomas Harding: Hanns und Rudolf. Der deutsche Jude und die Jagd nach dem Kommandanten von Auschwitz. dtv, 2014. 400 Seiten, 24,90 Euro.

Igal Avidan, geboren 1962 in Tel Aviv, ist Journalist und Politikwissenschaftler. Er lebt in Berlin.

Eine Leseprobe stellt der Verlag hier zur Verfügung.

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