Attacke der Gewerkschaften:"Schwarz-Gelb bitterkalt"

Der DGB-Vorsitzende Sommer und IG-Metall-Chef Huber geißeln den Koalitionsvertrag von Union und FDP, von "sozialem Sprengstoff" ist die Rede. Auch beim CDU-Arbeitnehmerflügel gibt es Unmut - wegen eines Postens.

Von der Kanzlerin weiß man, dass sie auch im Umgang mit Gewerkschaften lieber auf Konsens, als auf Konflikt setzt. Noch kurz vor der Wahl umgarnte Angela Merkel hohe Arbeitnehmervertreter bei einer Einladung im Kanzleramt, Anfang Oktober zeigte sie sich lächelnd auf der Feier zum 60. Gründungstag des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB).

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Michael Sommer und Angela Merkel am 5. Oktober beim Festakt anlässlich des 60. Gründungsjubiläums des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB)

(Foto: Foto: AFP)

Einlullen lassen haben sich die Gewerkschaftschefs offenbar nicht: Am Tag, an dem CDU, CSU und FDP ihren Koalitionsvertrag unterzeichnen, schlagen die Gewerkschaftsbosse Krach.

Der DGB-Vorsitzende, Michael Sommer, erklärte in der in Hannover erscheinenden Neuen Presse: "Unsere Befürchtungen haben sich in weiten Teilen bewahrheitet. Gerade im Bereich Gesundheit und Pflege sehe ich ein Ende der Solidarität, hier wird es mit Schwarz-Gelb bitterkalt", schimpfte Sommer.

"Sozialer Sprengstoff, von der FDP gelegt"

Der Koalitionsvertrag stehe für Umverteilung zu Lasten der kleinen Leute und zugunsten der Unternehmen. In vielen Fragen habe sich die FDP durchgesetzt.

"Bisher war das Prinzip, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich die Beiträge teilen, das Herzstück unserer Sozialversicherungen. Das soll jetzt bei der Pflege- und in der Krankenversicherung ausgehöhlt werden", kritisierte der DGB-Chef. Das sei eine falsche und fatale Entscheidung.

Massive Kritik äußerte auch IG-Metall-Chef Berthold Huber. In der Stuttgarter Zeitung bezeichnete er die von Union und FDP geplanten Entlastungen für Arbeitgeber als "alten Wein in neuen Schläuchen" und fügte hinzu: "Eine Antikrisenstrategie ist dies jedenfalls nicht."

Die größte Weltwirtschaftskrise seit 80 Jahren erfordere ein entschlossenes politisches Handeln. Im Koalitionsvertrag sei davon wenig zu finden. Vielmehr würden wichtige Entscheidungen verschoben.

Sommer: "Koalitionsvertrag ist zum Heulen"

"Die Vereinbarungen zum Beispiel zur Gesundheitspolitik sind sozialer Sprengstoff, den die FDP gelegt hat", sagte er dem Blatt zufolge weiter. "Ob er zündet, wird sich wohl erst nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen erweisen."

Hubers Fazit: "Für die Arbeitnehmer ist dieser Koalitionsvertrag kein Grund für Freudentränen, sondern zum Heulen vor Enttäuschung". Der neue Steuertarif stehe letztlich noch unter einem Finanzierungsvorbehalt. Auch die Erhöhung des Kindergeldes und des Freibetrages koste viel, bringe aber wenig. "Da geht es um Milliarden, die besser für Bildung und gute Kinderbetreuung ausgegeben werden könnten", so der Gewerkschaftschef.

Die steuerpolitischen Regelungen für die Unternehmen würden die Möglichkeiten der Gewinnverlagerung ins Ausland erweitern. "So saniert man nicht die Staatsfinanzen", rügte der IG-Metall-Vorsitzende.

Er könne nur davor warnen, die breiten Bevölkerungsschichten nicht zu entlasten, dafür aber die Unternehmen. Er sagte zudem eine "Fülle von Auseinandersetzungen auf betrieblicher Ebene" für den Fall voraus, dass die Regelung zum Kurzarbeitergeld nicht ins Jahr 2010 hinein verlängert wird.

Unmut in der CDU-Arbeitnehmerschaft

Ähnlich drohend klang auch DGB-Chef Sommer: Er kündigte an, dass die Gewerkschaften die Arbeit dieser Regierung "konstruktiv, wo möglich - und kritisch, wo nötig" begleiten werden. "Das können auch Proteste und Großdemonstrationen sein", warnte er. Sollte die Gesundheitsreform so wie geplant umgesetzt werden, "sind gesellschaftliche Konflikte programmiert".

Auch beim Arbeitnehmerflügel der CDU gibt es Unmut über den Ausgang der Koalitionsverhandlungen: Es herrscht Verstimmung über die Entscheidung von Parteichefin Angela Merkel, den bisherigen Verteidigungsminister Franz Josef Jung zum neuen Arbeitsminister zu ernennen. Er sei über diese Personalie "erstaunt", sagte der nordrhein-westfälische CDU-Landtagsabgeordnete Peter Preuss der Rheinischen Post.

Preuss, Mitglied des Landesvorstands der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA): "Da hätte eigentlich Karl-Josef Laumann hingehört." Laumann, Arbeitsminister in Nordrhein-Westfalen und Bundesvorsitzender der CDA, hatte allerdings schon vor den Berliner Verhandlungen erklärt, sein Platz sei in NRW, wo im Mai 2010 gewählt werde.

Allerdings hatten Beobachter dies schon damals als "taktisches Abwinken" gewertet. Es müsse noch in dieser Woche geklärt werden, wieso Laumann nicht am Kabinettstisch sitze, heißt es in der CDA.

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