Asylpolitik:Verschärfen statt integrieren

Schleierfahndung, Abschiebehaft, gekürzte Leistungen und Entwicklungshilfe: Wie Seehofers "Masterplan" aussieht und welche Reaktionen er auslöst.

Von Ferdos Forudastan

24 Seiten inklusive Deckblatt, 63 Punkte, vier Handlungsfelder plus eine Präambel: Im Wesentlichen sieht der sogenannte Masterplan Migration des Bundesinnenministers so aus, wie man es erwarten musste. Zwar hatte Horst Seehofer (CSU) das Papier, über das fast die Koalition zu Bruch gegangen wäre, wochenlang unter Verschluss gehalten. Aber die entscheidenden Punkte waren lange vor der Präsentation am Dienstag herausgesickert und hatten heftigen Streit vor allem zwischen CDU und CSU ausgelöst.

"Maßnahmen zur Ordnung, Steuerung und Begrenzung" lautet der Untertitel des Plans noch einigermaßen neutral. Zu diesen Maßnahmen zählt unter anderem, im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit die Lebensperspektiven in Herkunftsländern von Flüchtlingen zu verbessern - etwa, indem man dort mehr als bisher in die Infrastruktur, in Bildung und Beschäftigung investiert. Außerdem will Seehofer die Transitländer von Flüchtlingen unterstützen, es Migranten noch schwerer als bisher machen, die Außengrenzen der Europäischen Union zu überwinden, oder ein gemeinsames Asylsystem mit gleichen Standards in Europa ansteuern. Die Vorschläge des Innenministers zur Integration umfassen nur wenige Punkte und konzentrieren sich sehr stark auf die Mitwirkung von Flüchtlingen.

Viel Platz räumt das Papier den Plänen des Bundesinnenministers für ein schärferes nationales Asylrecht ein: So sollen Flüchtlinge, die bereits in einem anderen EU-Land einen Asylantrag gestellt haben, zurückgewiesen werden - und zwar aus sogenannten Transitzentren. Aufgenommen in diesen lange umstrittenen Punkt 27 des Papiers ist die Verabredung der Koalitionäre, dass Zurückweisungen auf der Grundlage von Abkommen mit den betreffenden Ländern stattfinden sollen.

Viel häufiger als bisher sollen Flüchtlinge Sachleistungen statt Geld bekommen

Um mehr Flüchtlinge als bisher aufzugreifen, die hier keinen Anspruch auf ein Asylverfahren haben, plant Seehofer auch eine verstärkte Schleierfahndung an den Grenzen. Zwar haben etliche Bundesländer Einwände gegen die sogenannten Anker-Zentren, in denen künftig sehr viele Flüchtlinge gesammelt und durch ein beschleunigtes Asylverfahren geschleust werden sollen. Dennoch hält der Bundesinnenminister an dem Vorhaben fest. Die Prüfung von Anträgen will er noch strenger als bisher handhaben. So soll, wer keine Identitätspapiere vorlegen kann, mit niedrigeren Leistungen bestraft werden. Allerdings verfügen manche Schutzsuchenden - etwa weil sie sie auf der Flucht verloren haben - unverschuldet über keine gültigen Ausweise.

Viel häufiger als bisher möchte Seehofer Flüchtlingen Sachleistungen statt Geld zukommen lassen. Bislang haben Flüchtlinge nach 15 Monaten Anspruch auf Hartz IV. Künftig möchte der Innenminister ihnen drei Jahre lang nur die niedrigeren Asylbewerberleistungen zugestehen. Die Teilnahme an Integrationskursen soll strenger überwacht und Fernbleiben sanktioniert werden. Anerkannte Flüchtlinge will Seehofer verpflichten, an der Überprüfung ihrer Fluchtgründe mitzuwirken.

Verschärfen möchte Seehofer auch die Regeln für abgelehnte Asylsuchende: So sieht der "Masterplan" vor, dass für eine Zeit lang Abschiebehäftlinge nicht mehr getrennt von anderen Häftlingen in normalen Gefängnissen unterzubringen sind. Außerdem soll der Bund die zuständigen Länder künftig stärker bei den Abschiebungen unterstützen. Inwieweit der Koalitionspartner SPD die Pläne des Bundesinnenmisters unterstützen wird, scheint noch nicht ausgemacht zu sein. Seehofer selbst geht davon aus, dass die Sozialdemokraten etwa die Einstufung einiger nordafrikanischer Länder als sichere Herkunftsländer mittragen würden. Allerdings gibt es einige Punkte, über die die Koalitionäre wohl noch werden verhandeln müssen. Dazu zählt der längere Bezug niedrigerer Asylbewerberleistungen.

Das Vorhaben des Bundesinnenministers ruft etliche Kritiker auf den Plan. So verurteilte die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl den "Masterplan" als "Kompendium der Abschottung und der Restriktion". Der Paritätische kritisierte, dass die in der Asylgesetzgebung verbrieften Rechte von Schutzsuchenden völlig außer Acht gelassen würden. Das Deutsche Institut für Menschenrechte monierte, der Plan blende die Schutzbedürftigkeit von Flüchtlingen beharrlich aus. Unter Integrationsmaßnahmen verstehe das Papier nur die Verschärfung von Sanktionsmöglichkeiten. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR machte einen "bedenklichen Grundtenor" in Seehofers Plan aus. Er konzentriere sich nur auf Verschärfungen und vernachlässige den Menschen. Das evangelische Hilfswerk Brot für die Welt sprach von einem "Debakel für die Humanität". Die Diakonie Deutschland beklagte, statt ehrenamtlich engagierte Bürger zu stärken, laufe der "Masterplan" denjenigen hinterher, die humanitäre Grundsätze aufkündigen wollten. Auch die Grünen und die Linkspartei kritisierten die Vorhaben des Bundesinnenministers als inhuman.

Die FDP, die für eine restriktivere Asylpolitik eintritt, bezeichnete den Plan als "enttäuschend"; die AfD monierte, er stelle keine Wende in der Asylpolitik dar.

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