Assad-Regime in Syrien:Der zähe Diktator

Der syrische Präsident soll bester Laune sein. Warum auch nicht? Baschar al-Assad muss derzeit keinen Angriff der USA fürchten. Weil die Rebellen Schreckensvideos veröffentlichen, wird der moralische Abstand kleiner. Und militärisch hat Assad zwar keine Kontrolle mehr über das ganze Land. Aber das scheint ihn nicht zu stören.

Von Sonja Zekri, Kairo

Ein libanesischer Gast erlebte ihn vor einem Monat in bester Stimmung: Der syrische Präsident habe "Witze erzählt, er war sehr lustig", berichtet der Politiker Abdulrahim Murad amerikanischen Medien. Seitdem läuft es für Baschar al-Assad noch besser.

US-Präsident Barack Obama hat allem türkischen Drängen zum Trotz kein zügiges Eingreifen in Syrien in Aussicht gestellt: Es gebe keine "Zauberformel" für Konflikte, die so grausam und so komplex seien wie der syrische, sagte er beim Besuch des türkischen Premiers Tayyip Erdogan in Washington.

Nach mehr als zwei Jahren, in denen Assad Hunderttausende hat foltern oder in Verliesen verschwinden lassen, verbreiten nun die Rebellen Schreckensvideos von kannibalistischen Inszenierungen und Gefangenenhinrichtungen, die den moralischen Abstand zwischen dem repressiven Regime und den Gewaltexzessen seiner Gegner verringern.

Nicht allein dass der Ruf nach Waffenlieferungen an die Rebellen plötzlich wie Beihilfe zum Verbrechen erscheint. Die Sorge wächst auch, dass gerade das Ende des Assad-Regimes zu einer Explosion konfessioneller Spannungen führen könnte - ähnlich wie im Irak. Assad-Anhänger - blind für die Verbrechen des Regimes - sehen sich bestätigt, Alternativen schwinden.

Opposition fordert Absetzung Assads als Voraussetzung für Gespräche

Entsprechend entspannt kann Assad der Konferenz im Juni entgegensehen, die Amerika und Russland in Genf einberufen wollen. Bislang ist nicht klar, ob und in welcher Besetzung die oppositionelle Koalition teilnehmen wird. Sie möchte Ende des Monats darüber entscheiden, womöglich in Absprache mit den Financiers am Golf. Assad selbst dürfte versuchen, eigene sogenannte Oppositionelle an den Tisch zu bringen. Das Erscheinen von syrischen Regierungsvertretern, heißt es aus Damaskus, hänge davon ab, ob die syrische Souveränität verletzt werde.

Zudem scheint es unwahrscheinlich zu sein, dass auf der Konferenz die geplante Übergangsregierung bestimmt wird: Die Opposition fordert die Absetzung Assads als Voraussetzung für Gespräche. Damaskus lehnt Verhandlungen ab, in denen dies verlangt wird. Noch komplizierter wird die Lage, weil Russland Iran in die Verhandlungen einbeziehen will, einen Verbündeten des Assad-Regimes.

Eine Aufwertung Teherans aber möchten die westlichen Staaten auf keinen Fall. Iran versuche, die Syrien-Frage mit dem iranischen Atomprogramm zu verknüpfen, hieß es warnend aus Paris, was aber auch auf Amerika zutrifft: Washington hofft auf eine Schwächung Assads und damit Irans. Ohne den Streit um das Atomprogramm ist die amerikanische Syrienpolitik nicht zu verstehen.

Das frühere Syrien hat aufgehört zu existieren

Nicht nur politisch erweist sich das Assad-Regime um einiges zäher als gedacht, auch militärisch kommen die Rebellen nicht voran. In den vergangenen Wochen konzentrierte sich ein großer Teil der Kämpfe auf den Süden des Landes. Dort kontrollieren die Aufständischen zwar seit zwei Monaten die Hauptstraße zur jordanischen Grenze, die für den Transport von Kämpfern und Waffen wichtig ist, aber die Stadt Chirbet Ghasalah an der Verkehrsader fiel vergangene Woche zurück in die Hände der Armee.

Die Aufständischen versuchen nun, den Stützpunkt der 52. Panzerbrigade 80 Kilometer südlich von Damaskus in der Provinz Deraa zu erobern. Die Provinz war so wie der gesamte Süden Syriens bislang eine der Regionen mit der höchsten Dichte an Soldaten, denn hier stößt Syrien an Israel. In den vergangenen Monaten haben die Assad-Gegner zahlreiche Stützpunkte erobert, aber nicht den der 52. Panzerbrigade. Auch der Versuch, ein Gefängnis in Aleppo zu erobern, scheiterte. Britische Medien zitieren Rebellen, die von Gefangenenerschießungen berichten. Deshalb habe man den Angriff abgebrochen.

So hat zwar Assad die Kontrolle über weite Teile Syriens verloren, aber es scheint ihn nicht zu stören. Er kümmert sich kaum um den kurdischen Nordosten und macht keine Anstalten, die Gebiete in Rebellenhand um Aleppo oder im Osten insgesamt zurückzuerobern. Aus der Luft greift die Armee zwar sporadisch an, aber Assad konzentriert sich zusehends auf Zentralsyrien von Deraa über Homs und Hama bis zur Küste, wo jenes alawitische Kernland liegt, in das sich Assad, ebenfalls Angehöriger der schiitischen Alawiten, eines Tages zurückziehen könnte.

Syrien, so urteilen manche, hat in seiner früheren Form aufgehört zu existieren. Es ist in Kantone zerfallen, deren Konflikte über die Grenzen in den Irak, die Türkei und nach Libanon ausstrahlen.

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