Afghanistan: Guttenbergs Kehrtwende:Minister Anstand

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Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat den Luftschlag gegen zwei Tanklaster als "unangemessen" bezeichnet. Das war überfällig. Es entspricht aber seiner Grundhaltung zur Politik.

T. Denkler

So oft ist das in der Vergangenheit noch nicht passiert, dass ein Minister seine Meinung zu einem Sachverhalt so schnell revidiert. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat das jetzt getan. Und das in einem höchst heiklen Fall.

Verteidigungsminister Guttenberg hat seine Meinung über den Luftangriff in Afghanistan schnell revidiert - er bezeichnet ihn als "unangemessen". (Foto: Foto: AP)

Es geht um den 4. September diesen Jahres. Zwei US-Kampfjets jagen zwei stecken gebliebene Tanklaster auf Befehl des deutschen Oberst Georg Klein in die Luft. Dabei sterben 142 Menschen, darunter viele Zivilisten. Die Piloten hatten noch nachgefragt, ob sie nicht die Menschen am Boden warnen sollten, bevor sie feuerten. Oberst Klein verneinte.

Vielleicht wollte Guttenberg Jung schützen

Guttenbergs Vorgänger Franz Josef Jung konnte sich nach der Regierungsneubildung noch ins Arbeitsministerium hinüberretten. Dann aber kam raus, dass er früher als er zugab gewusst haben muss, dass es viele zivile Opfer gegeben hat. Jung trat nur nach einem Monat im Amt zurück.

Guttenberg wiederum hatte kurz nach seiner Amtsübernahme als Verteidigungsminister von einem "angemessenen" Einsatz gesprochen. Eine falsche Einschätzung, wie er nun einräumt. Das kann zwei Gründe haben: Entweder er hatte sie im Lichte dessen getätigt, was ihm die militärische Spitze seines Hauses an Informationen dargelegt oder - aus heutiger Sicht - verschwiegen hat. Vielleicht aber wollte er einfach nur Jung schützen. Eine andere Bewertung als "angemessen" hätte Jung wohl noch früher zu Fall gebracht.

Und jetzt die Kehrtwende. Nach der Durchsicht angeblich "neuer Dokumente" komme er jetzt zu der Einschätzung, Oberst Klein habe "nicht" angemessen gehandelt, sagte er gestern überraschend im Bundestag. Zugleich verteidigt er den Soldaten Klein. "Ich zweifle nicht im Geringsten daran, dass er gehandelt hat, meine Damen und Herren, um seine Soldaten zu schützen." Er werde ihn deshalb nicht fallenlassen.

Jungs Rücktritt gibt Guttenberg Spielraum

Guttenberg hätte in der Debatte zur Verlängerung des Afghanistan-Mandates nicht reden müssen. Außenminister Guido Westerwelle war schon vor ihm dran. Er tat es dennoch, mit Rückendeckung der Kanzlerin. Reinen Tisch machen, das war wohl seine Motivation.

Dennoch bleiben Fragen: Meint er tatsächlich "neue Dokumente"? Oder nur alte, wie den jüngst öffentlich gewordenen Feldjägerbericht, der Jung in die Bredouille brachte? Und war nicht die Nichtangemessenheit des Einsatzes schon mit dem Nato-Bericht klar, den Guttenberg mit Amtsantritt in Händen hielt?

Guttenberg ist möglicherweise in einen Loyalitätskonflikt geraten. Soll er sich vor seinen Vorgänger stellen oder sich von Beginn an klar gegen Jung positionieren? Es geht dabei auch um das Verhältnis des Ministers zu seinen Soldaten. Wird einer der ihren an den Pranger gestellt? Oder hält Guttenberg seine schützende Hand über alle?

Womöglich hat ihm erst der Rücktritt Jungs vergangene Woche den nötigen Spielraum zurückgegeben, selbst zu handeln.

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Guttenberg hat Kultstatus

Ein Polit-Popstar war geboren. Obwohl bei genauerem Hinsehen zu sagen ist, dass Guttenberg außer ein paar auswendig gelernten Floskeln über die soziale Marktwirtschaft über kaum mehr ökonomischen Sachverstand verfügte als sein Vorgänger.

Dann übernahm er nach der Bundestagswahl das Verteidigungsressort vom medienscheuen Totalausfallminister Jung. Diesmal ein Fachgebiet, auf dem er sich als leidenschaftlicher Außenpolitiker auskennt. Er hatte es dem an sich wichtigeren Innenressort vorgezogen, das er auch hätte haben können.

Guttenberg hat Kultstatus in der Politik. Jung, schneidig, durchgreifend, unabhängig. Letzteres ist vielleicht seine wichtigste Eigenschaft. Guttenberg stammt aus vermögendem Hause. Er selbst dürfte mit leichter Untertreibung als wohlhabend bezeichnet werden. Zumindest ist er weder auf Ministergehalt noch auf Dienstwagen angewiesen.

Er macht Politik, weil es ihm Spaß macht. Seine Blitzkarriere hat ihn dabei selber wohl am meisten überrascht. Als ihn CSU-Chef Horst Seehofer vor gut einem Jahr als seinen neuen Generalsekretär präsentierte, saß er mit feuerrotem Kopf schüchtern grinsend in der Bundespressekonferenz. Er wirkte da nicht wie einer, der schon immer gewusst hat, dass er irgendwann entdeckt werden wird. Eher wie einer, den es überraschte, dass nun ausgerechnet er da sitzt.

"Der hat einfach Anstand und gute Manieren"

Die gegelten Haare, die zuweilen karikaturenhaft gutsitzenden Anzüge, das alles vermittelt das Bild eines öligen Karrieristen. Das aber ist Guttenberg beileibe nicht. "Der hat einfach Anstand und gute Manieren", sagte mal ein Abgeordneter von der SPD über ihn.

Vielleicht ist es das, was ihn jetzt treibt, der Anstand. Eine Eigenschaft, die er auch von anderen im Umgang mit ihm erwartet. Es heißt, er habe einen Wink von der Bild-Zeitung bekommen, bevor sie vergangene Woche den Feldjägerbericht veröffentlichte.

Er habe darauf hin Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und Staatsekretär Peter Wichert gefragt, ob es etwas gebe, dass er noch wissen müsse. Die beiden verneinten. Er habe dann noch mal gefragt. Wieder verneinten beide. Dann soll Guttenberg ihnen unmissverständlich den Rücktritt nahegelegt haben.

Zu klären wird jetzt sein, an welchen Stellen Guttenberg vielleicht früher anders hätte reagieren müssen. Aber das sind Kleinigkeiten im Vergleich zur Dramatik der Bombardierung selbst. Ihm hat die ungeschminkte Korrektur seine Einschätzung Respekt eingebracht. Guttenberg wird alles daran setzen, den nicht zu verlieren. Das unterscheidet ihn von Politikern vom Schlage Jungs.

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