2. Weltkrieg: Japan und die USA:Pearl Harbor und die Rolle Roosevelts

Nahm US-Präsident Roosevelt den Angriff auf Pearl Harbor in Kauf, um einen Kriegsgrund zu erhalten? Ein japanischer Journalist untermauert diese These.

Christoph Neidhart

Japans Überfall auf Pearl Harbor am 7. Dezember 1941 spielte Franklin Roosevelt jenen Kriegsgrund in die Hand, auf den der Präsident gewartet hatte. Deshalb ist immer wieder gefragt worden: Wie viel wusste Washington von den japanischen Plänen?

2. Weltkrieg: Japan und die USA: Das amerikanische Kriegsschiff "West Virginia" sank nach schweren Bombentreffern. Im Dezember 1941 kamen bei dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor 2402 Amerikaner ums Leben, 1240 wurden verletzt. Die USA verloren mehrere Schlachtschiffe und 188 Flugzeuge.

Das amerikanische Kriegsschiff "West Virginia" sank nach schweren Bombentreffern. Im Dezember 1941 kamen bei dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor 2402 Amerikaner ums Leben, 1240 wurden verletzt. Die USA verloren mehrere Schlachtschiffe und 188 Flugzeuge.

(Foto: Foto: Reuters)

Hat Roosevelt Pearl Harbor bewusst in Kauf genommen, um die Öffentlichkeit umzustimmen? Ein Dokumentarfilm der BBC unterstellte ihm dies schon 1989. Jetzt rollt der Tokioter Journalist Eiichiro Tokumoto das Thema wieder auf.

Nach der Attacke ohne Kriegserklärung, bei der 2402 Amerikaner ums Leben kamen, 1240 verletzt wurden und die USA 188 Flugzeuge und mehrere Schlachtschiffe verloren, sagte Roosevelt, der Tag gehe als Infamie in die Geschichte ein.

Warum aber war Pearl Harbor so schlecht verteidigt, warum standen die US-Kampfflugzeuge offen auf den Rollfeldern? Warum ließ Washington, das mit einem Krieg gegen Japan rechnen musste, sich so übertölpeln? Seit 1941 haben zehn Kommissionen diese Fragen untersucht. Nach Pearl Harbor fiel es Roosevelt leicht, Kongress und Wähler von der Notwendigkeit des Kriegseintritts zu überzeugen.

Die Schuld am Debakel von Pearl Harbor schob man dem Kommandanten der Marine, Admiral Husband Kimmel, und dem Armee-General Walter Short zu. Beide mussten "wegen Pflichtverletzung" zurücktreten.

Allerdings munkelten schon damals viele Offiziere, die beiden hätten als Sündenböcke für politische Versäumnisse herhalten müssen. 1999 entlastete der US-Kongress die Offiziere, denn sie hätten "kompetent und professionell" gehandelt.

Planungen seit Herbst 1940

Die Amerikaner hatten mehrere japanische Verschlüsselungscodes geknackt, sie lasen alle Instruktionen, die Tokio seinen Diplomaten übermittelte. Die Briten hatten den Marine-Code entschlüsselt, sie müssen von der geplanten Attacke gewusst haben, die Japans Admiral Isoroku Yamamoto seit Herbst 1940 plante und üben ließ.

Washington hatte 1940 ein Handelsembargo gegen Japan verhängt, im Sommer 1941 wurde dieses um ein Öl-Embargo verschärft. Damit rechtfertigt Japans radikale Rechte Pearl Harbor bis heute: als Akt präventiver Notwehr.

In seinem Artikel in der Zeitschrift Gensai konzentriert Tokumoto sich auf die früheste Pearl-Harbor-Warnung, die die USA erhielten. Er glaubt zeigen zu können, dass sie im US-Außenministerium noch während des Krieges verfälscht oder unterdrückt wurde, wie andere Dokumente auch, um hochrangige Politiker zu entlasten.

Pearl Harbor und die Rolle Roosevelts

Am 27. Januar 1941 besuchte der peruanische Gesandte, Rivera Schreiber, den US-Botschafter Joseph Grew. Peru war einst ein wichtiges Auswanderungsland für Japaner, die Beziehungen zu Tokio eng. Nach Angaben der Witwe Rivera Schreibers hatte dessen Diener sich mit einem kleinen Informanten betrunken, dabei soll dieser erzählt haben, Japan plane, Pearl Harbor anzugreifen.

USA Präsident Franklin Delano Roosevelt Winston Churchill 1941 ap

Anglo-amerikanische Alliierte gegen Japan und Hinterdeutschland: US-Präsident Franklin Delano Roosevelt mit dem britischen Premierminister Winston Chruchill 1941

(Foto: Foto: AP)

Nachdem auch ein japanischer Professor und Pazifist Rivera von diesen Plänen berichtete, warnte dieser Grew, der sofort ein Telegramm nach Washington schicken wollte. Dieses Telegramm ist in den Archiven nicht zu finden.

Der dritte Sekretär der Botschaft, Frank Schuler, war ein junger ambitionierter Diplomat, der fließend Japanisch sprach. Er kehrte Anfang 1941 aus Tokio in die Fernost-Abteilung des State Department zurück.

Belastende Hinweise gelöscht

Irritiert über die Sorglosigkeit, mit der Washington Japan behandelte, verfasste Schuler im September 1941 zusammen mit fünf Kollegen ein Memo, in dem er vor einem Überraschungsangriff warnte.

Das Ministerium verlangte, die sechs sollten das Memo zurücknehmen und sich entschuldigen. Schuler weigerte sich. Dafür wurde er, obwohl im Außenministerium akuter Mangel an japanisch sprechenden Diplomaten herrschte, im November 1941 nach Antigua versetzt und nach 1944 aus dem Dienst entlassen.

Bis zu seinem Tod 1996 kämpfte er mit seiner Frau Olive, die ebenfalls in der Fernost-Abteilung des US-Außenministeriums arbeitete, um seine Rehabilitierung.

Olive Schuler hatte eine Freundin, Helen Shaffer. Diese erzählte den Schulers nach ihrer Pensionierung, sie habe nach der Attacke auf Pearl Harbor, eingeschlossen in ein Büro, unter strenger Geheimhaltung Protokolle und Telegramme neu tippen müssen. Dabei seien alle belastenden Hinweise gelöscht worden. Frank Schuler sei kaltgestellt worden, weil er gewarnt hatte und zu viel wusste.

Die Hinweise im Tagebuch

Tokumoto fand Indizien, die Schulers These stützen. US-Botschafter Grew war ein pedantischer Tagebuchschreiber. In seinem Buch "Zehn Jahre in Japan" heißt es nur, in Tokio habe es damals "Gerüchte" von einem Angriff auf Pearl Harbor gegeben. Mehr nicht. Im Tagebuch jedoch hatte Grew den Besuch des peruanischen Gesandten Rivera Schreiber verzeichnet und auch, dass sie das Telegram zusammen aufgesetzt hätten.

Grew war stolz auf seine Nähe zu Kaiser Hirohito. Nach Pearl Harbor wurde er, wie alle westlichen Diplomaten, in Japan interniert. In jener Zeit soll er einen Report entworfen haben, der Roosevelts Japan-Politik kritisierte. US-Außenminister Cordell Hull soll dieser Text so sehr missfallen haben, dass er anordnete, Grew solle ihn vernichten.

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