19. Bundestag:Schäuble ruft zum Debattieren auf

19. Bundestag: Wolfgang Schäuble ist seit heute Bundestagspräsident.

Wolfgang Schäuble ist seit heute Bundestagspräsident.

(Foto: AFP)
  • Der am 24. September gewählte neue Bundestag ist am Dienstag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammengetreten.
  • In seiner ersten Rede als Bundestagspräsident hat Wolfgang Schäuble betont, wie wichtig Kontroversen für die Demokratie sind.
  • Der AfD-Kandidat für das Parlamentspräsidium ist in allen drei Wahlgängen durchgefallen.

Von Nico Fried, Berlin

Der neu gewählte Präsident des 19. Deutschen Bundestages, Wolfgang Schäuble (CDU), hat für eine demokratische Streitkultur geworben, in der die Regeln der Fairness und des Respekts beachtet werden.

Der parlamentarische Prozess müsse sichtbar machen, "wie schwierig sowohl die Durchsetzung als auch der Ausgleich von Interessen in einer liberalen Demokratie sind", sagte Schäuble am Dienstag in der konstituierenden Sitzung des Bundestages genau einen Monat nach der Wahl. "Da darf Streit nicht nur sein; das geht nur über Streit", sagte Schäuble. "Das müssen wir aushalten, ertragen."

Der bisherige Finanzminister Schäuble war zuvor mit 501 von 705 abgegebenen Stimmen zum neuen Parlamentspräsidenten gewählt worden. Gegen ihn stimmten 173 Abgeordnete, 30 enthielten sich, vier nahmen nicht teil. Die AfD-Fraktion, die zum ersten Mal im Bundestag vertreten ist, hatte angekündigt, geschlossen gegen Schäuble zu stimmen. Da sie aber nur über 92 Stimmen verfügt, müssen auch zahlreiche Abgeordnete anderer Fraktionen Schäuble ihre Stimme verweigert haben.

Als Stellvertreter Schäubles wurden Thomas Oppermann (SPD, 396 Stimmen), Hans-Peter Friedrich (CSU, 507), Wolfgang Kubicki (FDP, 489) Petra Pau (Linke, 456) und Claudia Roth (Grüne, 489) gewählt. Der AfD-Kandidat Albrecht Glaser verfehlte dagegen in allen drei Wahlgängen die nötigen Mehrheiten. Er erhielt jedoch im ersten Durchgang 115, im zweiten 123 und im dritten 114 Stimmen und damit jeweils mehr als die AfD Abgeordnete hat (92).

"Töne der Verächtlichmachung und Erniedrigung"

Schäuble gehört dem Bundestag seit fast 45 Jahren ununterbrochen an. Er erinnerte im Beisein von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an heftige Auseinandersetzungen über die Ost-Verträge in den 70er- oder die Nachrüstungsdebatte in den 80er-Jahren. Die Gesellschaft sei auch damals polarisiert gewesen. "Geschadet hat es nicht", sagte Schäuble. Gerade weil er aus eigenem Erleben wisse, "dass Erregung und Krisengefühle so neu nicht sind, sehe ich mit Gelassenheit den Auseinandersetzungen entgegen, die wir in den kommenden Jahren führen werden".

Schäuble vermied es, die AfD-Fraktion direkt anzusprechen. Er erinnerte lediglich allgemein daran, dass es in den vergangenen Monaten "in unserem Land Töne der Verächtlichmachung und Erniedrigung" gegeben habe. "Das hat keinen Platz in einem zivilisierten Miteinander", fügte er hinzu.

Solms plädierte dafür, das Wahlrecht zu reformieren

Schäuble, 75, hatte darauf verzichtet, als dienstältester Abgeordneter die Sitzung zu eröffnen. Das übernahm der FDP-Politiker Hermann-Otto Solms. Der letzte Bundestag hatte, um die Eröffnung des neuen Parlaments durch einen AfD-Abgeordneten zu verhindern, kurz vor dem Ablauf der Legislaturperiode die bisherige Regel geändert, wonach der nach Lebensjahren älteste Abgeordnete die Sitzung leitet.

Solms plädierte angesichts des mit 709 Abgeordneten bislang größten Bundestages dafür,das Wahlrecht in der neuen Legislaturperiode so zu reformieren, dass das Parlament wieder kleiner wird. Etwaigen Einwänden des Verfassungsgerichts, so ließ Solms durchblicken, solle von vorneherein durch eine Änderung des Grundgesetzes begegnet werden.

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