Süddeutsche Zeitung

17. Juni 1953:Die besten deutschen Tage

Es gibt große Tage in der Geschichte der Deutschen, doch das Gedenken ist schwierig: Der 17. Juni wurde im Westen zum Tag langweiliger Reden, der 18. März 1848 ist längst vergessen.

Heribert Prantl

Es gibt nicht viele Tage des Widerstands in der deutschen Geschichte. Ein braver Bürger hält eben den Mund; ein ehrlicher Arbeiter fügt sich; und ein tapferer Soldat befolgt Befehle, auch wenn sie verbrecherisch sind.

Befehl ist Befehl, Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps. Das ist sprichwörtlich, und das war lange Zeit ein deutsches Motto.

Hätten sich die Deutschen immer an dieses Motto gehalten, dann gäbe es die besten Tage ihrer Geschichte nicht: Nicht die Revolution vom 18. März 1848; nicht das Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944; nicht den Aufstand gegen die SED am 17. Juni 1953; nicht den Fall der Mauer in Berlin am 9. November 1989.

Es sind dies die großen Tage der jüngeren Geschichte. Zugleich ist aber die Geschichte dieser Gedenktage keine gute. Der 17. Juni wurde im Westen zum Tag langweiliger Reden, für viele war er nur ein arbeitsfreier Tag ohne Bedeutung.

Andere Daten wurden völlig vergessen, zuvorderst der 18. März 1848. Wären die Deutschen Franzosen, dann wäre der 18. März ein Tag für Jubel und Feuerwerk.

Damals, als die Bürger auf die Barrikaden gingen, formulierten sie in der Frankfurter Paulskirche ihre demokratischen Rechte. Die neuen Grundrechte galten zwar nicht lange, sie wurden von der Reaktion wieder ausradiert, aber sie blieben Idee und wurden 1949 Grundgesetz.

Die Deutsche Nationalstiftung hält den 17. Juni hoch. Sie verleiht an diesem Tag den deutschen Nationalpreis, diesmal an die Initiatoren eines Einheits-Denkmals. Es gilt noch viele andere Denkmäler aufzustellen: Denkmäler für Widerstand und Demokratie.

Sie müssen aber nicht aus Stein oder Bronze sein. Denken, Gedenken und Feiern kann man auch ohne Denkmal.

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Quelle:
SZ vom 17.6.2008/gdo/buma
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