Die Gewerkschaften haben zum Tag der Arbeit vor zunehmender Tarifflucht gewarnt und wollen auch die öffentliche Hand stärker in die Pflicht nehmen. Bund, Länder und Kommunen dürften ihre Aufträge nur noch an Firmen vergeben, die Tariflöhne zahlten, forderten führende Gewerkschaftsvertreter am Mittwoch auf mehreren Kundgebungen. Zigtausende Menschen gingen bei Demonstrationen des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) auf die Straße.
Bis zum späten Abend blieben die Proteste weitgehend friedlich.
Traditionell mobilisiert die Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung am 1. Mai für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne. Der Tag der Arbeit wird seit fast 130 Jahren begangen. In Deutschland gab es am 1. Mai 1890 erstmals Massendemonstrationen. In diesem Jahr nahmen an den 481 Veranstaltungen laut DGB bundesweit 381 500 Menschen teil. In mehreren Städten gab es zudem Proteste gegen Auftritte rechtsextremer oder rechtspopulistischer Gruppen.
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Knapp vier Wochen vor den Wahlen zum Europäischen Parlament standen die Kundgebungen unter dem Motto "Europa. Jetzt aber richtig!". DGB-Chef Reiner Hoffmann forderte ein sozialeres Europa, das seinen Bürgern Schutz und Sicherheit biete und bessere Lebensbedingungen schaffe. Auch Verdi-Chef Frank Bsirske rief zur Beteiligung an der aus seiner Sicht richtungweisenden Wahl auf. Klimawandel, Finanzkrisen, Flüchtlingsbewegungen, Terrorismus und internationale Handelskonflikte erforderten ein Mehr an Zusammenarbeit, sagte er in Hamburg.
Inhaltlich geprägt waren die Kundgebungen von der Digitalisierung in vielen Betrieben und der schwindenden Bedeutung von Tarifverträgen. Hoffmann mahnte, durch Digitalisierung, Globalisierung und Klimawandel werde sich die Arbeitswelt rasant verändern. "Diesen Strukturwandel dürfen wir nicht alleine den Märkten und Unternehmen überlassen." Dazu würden finanzielle Spielräume für öffentliche Investitionen gebraucht. In Berlin und Hamburg hatten linksradikale Gruppen für den Abend zu "Revolutionären 1.-Mai-Demos" aufgerufen. Bis zum späten Abend blieb es in Berlin weitgehend friedlich. Bei der traditionellen Demonstration "Revolutionärer 1. Mai" mit rund 5000 Teilnehmern gab es vereinzelt Flaschenwürfe gegen Einsatzkräfte sowie Rangeleien. Die Polizei zeigte sich dennoch zufrieden und sprach von einem Tag ohne große Zwischenfälle. Mehrere Personen wurden vorläufig festgenommen. In Paris kam es wieder zu Ausschreitungen. Am Rande einer Gewerkschaftskundgebung im Süden der Hauptstadt warfen militante Demonstranten Steine und andere Gegenstände auf die Sicherheitskräfte, die Tränengas und Blendgranaten einsetzten, wie französischen Medien berichteten. Bis zum Abend wurden mindestens 330 Menschen festgenommen, mindestens 220 kamen in Polizeigewahrsam, wie der Sender BFMTV unter Berufung auf die Behörden bilanzierte. Es habe mindestens 38 Verletzte gegeben.